Vor Beginn unserer Aktionen besuchte Bischof Anselmo Müller aus Brasilien unsere Schule. Er war kurz zuvor zum Bischof der Diözese Januária, einer der ärmsten Gegenden des Landes überhaupt, ernannt worden. Da Anselmo Müller wie die Patres am Gymnasium Maria Königin, ebenfalls ein Ordensbruder der „Missionare von der Heiligen Familie“ war, lag eine enge Zusammenarbeit mit ihm auf der Hand. Dieser Kontakt garantierte über viele Jahre die Steuerung und Überwachung der Spendenverwendung vor Ort.
Ein weiterer, eher spiritueller Grund, war die Lektüre von Zeitungsberichten über die Situation von Straßenkindern in Brasilien. So konnte man z.B. kurz vor der Gründungsfeier unseres Vereins in einem Artikel im Spiegel etwas über den 15-jährigen Joilson de Jesus lesen. Er riss in einem reichen Viertel von São Paulo einer Frau die Handtasche weg und versuchte fortzulaufen. Passanten, die dies beobachtet hatten, nahmen die Verfolgung auf. Ein Oberstaatsanwalt, offenbar gerade auf dem Weg zur Arbeit, stieß mit dem Jungen zusammen, ergriff ihn, schlug auf ihn ein, warf ihn zu Boden, trat ihn mehrfach, immer wieder, tötete ihn.
Jesus starb, weil er als ältestes von vier Kindern die Familie ernähren musste. Sein Vater ging irgendwann Arbeit suchen und kehrte nie mehr zurück. Die Arbeitskraft der Mutter reichte für den Unterhalt der Familie nicht aus. Jesus starb, weil er das tat, was er tun musste, weil er das tat, was sicherlich viele von uns in seiner Situation getan hätten.
Nach der Lektüre dieser Geschichte blieb ein Gefühl der Ohnmacht. Während wir hier unseren Luxus für selbstverständlich halten, kämpfen irgendwo auf dieser Welt Menschen wie Jesus ums Überleben ihrer Familien. Diese Ohnmacht, zugleich aber die Ahnung, etwas ändern zu können, wenn man sich nur entsprechend engagiert, war ein weiterer Grund für unsere Motivation.