Servir-Info 2006

Der Servir e.V. informiert

 Machu Picchu, ein ehemaliger Schüler wandert für Servir
 Wie die Klasse 6a zum Kaffee kam
 Für uns Abfall - für Servir Lebensqualität
 Eine Obstwiese für Servir
 Neues aus Brasilien
 Danke!


Machu Picchu, ein ehemaliger Schüler wandert für Servir

Am 1. Juni dieses Jahres erhielt der Servir e.V. eine e-Mail, die offenbar an viele Adressaten gerichtet war.

"Hallo,

Ich komme heute mit einem besonderen Anliegen: Ende Juni werde ich nach Peru fliegen, um dort 5 Tage lang den berühmten Inka-Trail nach Machu Picchu zu laufen. Das bedeutet, dass ich jeden Tag zwischen 7 bis 9 Stunden über die Andenkämme in über 4000m Höhe wandern werde. Abends übernachten wir dann in Zelten und bereiten die Mahlzeiten am Lagerfeuer. Am letzten Tag werden wir bei Sonnenaufgang durch das Sonnentor von Machu Picchu wandern und die ehemalige Inkastadt betreten.

Warum setze ich mich diesen Strapazen aus? Zum einen, weil ich mal wieder eine Herausforderung haben wollte, und zum anderen, weil ich eine gute Sache unterstützen möchte: An meiner ehemaligen Schule haben wir ein Projekt, das schon seit über 20 Jahren aktiv ist: Es werden Straßenkinder in einem kleinem brasilianischen Städtchen unterstützt, sich selbst zu helfen, indem ihnen bis zu drei Malzeiten bereitet werden, eine Ausbildung geboten wird und es auch sonst persönlich Unterstützung gibt. Wer Brasilien kennt, wird wissen, dass dort zum Teil regelrecht Jagd auf Straßenkinder gemacht wird und die Polizei nicht selten Straßenkinder erschießt.

Das Projekt Servir hat mitgeholfen, dass es in der Stadt Januária keine unbetreuten Straßenkinder mehr gibt. Es wird den Kindern geholfen, eine Chance zu erhalten, den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen. Ein normales Leben zu führen, wie wir es für selbstverständlich erachten, ist in den Provinzen von Brasilien nicht immer möglich. Servir hilft den jungen Menschen eine Chance auf gerade dieses menschenwürdige Leben zu haben. Da ich in den letzten vier Jahren sechsmal in Brasilien war und den Kontrast zwischen Arm und Reich deutlich gesehen und miterlebt habe, will ich mich nun mehr in dem Land engagieren, um einen kleinen Beitrag zu leisten, die Alltagssituation für zumindest ein paar Mitmenschen zu verbessern.

Daher meine Frage an Euch: Hättet Ihr Lust, mich bei dieser Sache zu unterstützen? Jeder Cent wird voll und ganz Servir zufließen, da ich meine Flüge und die Reise selber bezahle. Meine Firma Accenture wird für Servir pauschal 150 Euro stiften und ich hoffe durch meine eigene Spende und die von Freunden, Verwandten und Bekannten, zwischen 1.000 und 2.000 Euro für dieses tolle Projekt zu sammeln. Ich bin überzeugt, dass uns hier in Europa ein paar Euro nicht weh tun werden und dass dieses Geld viel zum würdevollen Leben der Straßenkinder in Januária beitragen kann.

Also, wenn Ihr Lust habt, Servir zu unterstützen, so antwortet einfach auf diese e-mail und sagt mir, welchen Betrag Ihr spenden wollt. Ich werde Euch dann sagen, wie wir das Geld am besten einsammeln."

Bild 1 Bild vergrößern Blick vom Inka-Trail auf die schneebedeckten Andengipfel

Der Absender dieser e-mail war Dirk Reichling aus Marmecke, ein ehemaliger Schüler unseres Gymnasiums. Nach seinem dreijährigen Studium in Marketing und Finanzen in London blieb er dort als Unternehmensberater und berät im Auftrag seines Arbeitgebers Großunternehmen in aller Welt. Seine Zeit als Zivildienstleistender in besonderer Funktion eines Flüchtlingsberaters und seine Reisen in die Explorationsfelder seiner Kunden haben ihn sensibilisiert für die Probleme der Dritten Welt.

Die Abenteuerreise hat er inzwischen hinter sich. Das Ergebnis von 3.100 Euro übertrifft alle Erwartungen und ist ein toller Erfolg. Seinen interessanten Reisebericht mit vielen beeindruckenden Fotos finden Sie hier.


Wie die Klasse 6a zum Kaffee kam

Bild 2 Bild vergrößern Nach dem Rösten kühlt der Kaffe in einem Kühlbehälter schnell ab

Die Aktion Lenne-Kaffee haben sicher alle noch gut in Erinnerung. Weniger bekannt ist vielleicht, dass der Servir e.V. maßgeblich an der Entwicklung dieses in der deutschen Schullandschaft sicherlich einzigartigen Projektes beteiligt war. Es sei an dieser Stelle auch noch einmal ausdrücklich daran erinnert, dass wir das Projekt auch weiterhin nach Kräften unterstützen, d.h. der Lenne-Kaffee kann nach wie vor über den Eine-Welt-Laden der Schule bezogen werden.

Die Idee für das Projekt entstand im "Arbeitskreis Eine-Welt", einer Initiative von Aktivisten aus verschiedenen Lennestädter Eine-Welt-Gruppen. Dieser Arbeitskreis trifft sich in regelmäßigen Abständen im Rathaus der Stadt Lennestadt. Sein Ziel ist es, Bewusstsein für die Belange der ärmeren Teile dieser Welt zu schaffen, klar zu machen, dass unser Handeln hier vor Ort Einfluss haben kann auf das Schicksal der Menschen in der "Dritten Welt".

Kaffee ist dafür ein gutes Beispiel: Unser gezielter Griff nach dem preiswertesten Produkt entscheidet auch ein wenig über die Lebensqualität und die Zukunft der Kaffeebauern in den Entwicklungsländern. Während 1995 der Einzelhandelspreis für 1kg Kaffee in Deutschland bei ca. 14 Euro lag, ist er bis zum ersten Quartal des Jahres 2004 auf ca. 6 Euro gefallen und erst im letzten Jahr wieder ein wenig angestiegen. Während der Preisverfall auf dem Weltmarkt sofort einkommensmindernd für die Erzeuger wirkt, werden zwischenzeitliche Preisanstiege nicht oder nur sehr zögerlich an sie weitergegeben. So wundert es nicht, dass die Gewinne der großen Kaffeekonzerne im gleichen Zeitraum ständig gestiegen sind und immer mehr Kleinbauern in den Erzeugerländern des Kaffees in den Ruin getrieben werden.

Ein Vergleich macht die Situation noch deutlicher: Während 1949 der Verbraucher noch über 22 Stunden für 500 g Kaffee arbeiten musste, waren es 1958 immerhin noch 4 Stunden, 1998 gerade noch 22 Minuten - und jetzt?! Der Preiskampf der großen Anbieter geht weiter - unser Vorteil bedeutet für die Erzeuger einen immer härter werdenden Überlebenskampf.

Dieser Entwicklung möchte der "Arbeitskreis Eine-Welt" durch den Verkauf des Lenne-Kaffees ein wenig entgegenwirken. Nutznießer des Projekts sind vor allem kleine Kaffeebauern in Chiapas (Mexiko), die sich vor einigen Jahren mit Hilfe des Kolping-Werkes Deutschland und der Kaffeerösterei Langen in Medebach zu einer Kaffee-Kooperative zusammengeschlossen haben. Diese Kooperative besteht inzwischen aus über 110 Familien. Ihre Plantagen liegen in 900 bis 1400m Höhe. Fruchtbarer vulkanischer Boden sowie das gemäßigte Klima mit sonnigen Tagen und kühlen Nächten lassen den Kaffee langsam wachsen - ideale Voraussetzungen für feinsten, sortenreinen Kaffee.

Neben dem Vorzug seines guten Geschmacks und seiner ausgezeichneten Bekömmlichkeit zeichnet den Lenne-Kaffe vor allem eines aus: Er besitzt das Transfair-Siegel. Das bedeutet, dass die Kaffeebauern einen Mindestpreis erhalten, der ihre Produktionskosten deckt und ihnen das absolute Existenzminimum ermöglicht. Er liegt im Moment fast doppelt so hoch wie der durchschnittliche Börsenpreis.

Im Gegenzug verpflichten sich die Bauern, einen Teil des Erlöses in soziale Projekte der Dorfgemeinschaft wie z.B. Kindergärten zu investieren.

Die Zusammenarbeit mit der Kooperative ist langfristig ausgelegt, so dass die Bauern in die Zukunft planen können. Dem gleichen Ziel dient auch, dass die Kooperative vor Beginn der Ernte eine Vorfinanzierung erhält. Dadurch gerät sie nicht in die Abhängigkeit von lokalen Ankäufern, die die Not der Bauern oft schamlos ausnutzen.

Endlich, nach mehr als zweijähriger Vorarbeit konnte der "Lenne-Kaffee" im Mai dieses Jahres zum Verkauf angeboten werden. In einer Einführungs-Aktion, an der sich mehrere Schulen in Lennestadt beteiligten, verkauften Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 bis 7 mit großem Einsatz Lenne-Kaffee. Über 8.000 Tüten wechselten so innerhalb von drei Wochen ihren Besitzer, 2.600 allein an unserer Schule. Ein großer Erfolg, der vor allem dem unermüdlichen Einsatz der Schüler zu verdanken ist. Nicht wenige von ihnen haben 30 Tüten und mehr verkauft.

So viel Begeisterung kommt nicht von ungefähr. Die Schüler wurden im Vorfeld über die Situation der Kaffee-Bauern und ihrer Familien ausführlich informiert und es winkte den Siegerklassen der einzelnen Schulen ein von der Stadt und der Grévin Deutschland GmbH (den Betreibern der beiden sauerländischen Vergnügungsparks) gestifteter Preis: ein Tagesausflug zum Fort-Fun.

Unsere Siegerklasse war mit über 560 verkauften Kaffee-Tüten die damalige Klasse 6a. Mit erwartungsvoller Stimmung bestiegen die Schülerinnen und Schüler am Morgen des vorletzten Schultags den Reisebus.

Erster Zwischenstopp: Medebach, Kaffee-Rösterei Langen. Wer geglaubt hatte, das Thema Kaffee sei nichts für Sechstklässler, wurde eines Besseren belehrt. Schnell zog Herr Langen die Schüler in seinen Bann. Es ging nicht um den theoretischen Hintergrund von fair gehandeltem Kaffee und die Situation der Kaffee-Bauern in Mexiko - davon hatten sie im Unterricht genug gehört. Praxis war angesagt. Die Gruppe wurde Zeuge, wie sich beim Röstvorgang innerhalb von 20 Minuten die graugrünen, nach Heu riechenden, rohen Bohnen in die uns bekannten braunen Kaffeebohnen verwandeln: Lenne-Kaffee eben! Herr Langen hatte mit dem Rösten einer neuen Charge extra auf die Gruppe gewartet. Immer wieder entnahm er mit einer kleinen Schaufel Proben aus dem Röstvorgang und ließ die Schüler daran riechen. Hautnah erlebten sie, wie die Bohnen sich langsam immer mehr verfärbten und ihre Größe änderten. Am Ende des Röstvorgangs wurden sie in eine Kühlvorrichtung geschüttet, in der sie schnell abkühlen konnten.

Bild 3 Bild vergrößern Fachmännische Degustation des frisch gebrannten Kaffees

Krönender Abschluss der Veranstaltung war zweifelsfrei für einige Schüler eine Kaffee-Probe. Hier gingen die Meinungen stark auseinander - von "ausgezeichnet" bis hin zu "der schmeckt viel zu süß". Die richtige Portionierung von Zucker und Milch, die sich die Schüler ja selbst hinzufügten, war ihnen offensichtlich noch fremd.

Nach einer Stunde intensiver Information und dem Genuss von einer kleinen Tasse Kaffee flaute die Konzentration der Schüler doch merklich ab und magisch zog es sie zum Fort-Fun. Hier konnten sie sich bei eher "coolen" Temperaturen für vier Stunden in Kleingruppen in das Abenteuerland stürzen. Die Freude war groß und einstimmig war die Gruppe der Meinung: Die Sache hat sich gelohnt, ein toller Abschluss für das Schuljahr!


Für uns Abfall - für Servir Lebensqualität

Wieder einmal war es dieses Jahr so weit. Jeder weitere Alu-Ballen aus der Presse hätte die Schülerinnen und Schüler des Servir e.V. am Gymnasiums Maria Königin in logistische Schwierigkeiten gebracht. Nichts ging mehr, die alte Scheune barst aus allen Fugen. Höchste Zeit, für eine neue Auslieferung.

Bild 4 Bild vergrößern Selbst Temperaturen um den Gefrierpunkt halten die Servir-Schüler nicht ab

Es ist die vierzehnte, seitdem das Projekt "ALU - Aus Liebe zur Umwelt" im Juni1989 entstand. Noch immer, 17 Jahre danach, sortieren die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Maria Königin in Vertretungsstunden bzw. in freiwilligen Arbeitseinsätzen all das, was an den Sammelstellen in der Stadt abgegeben wird. Und das ist nicht nur Aluminium: Schuhe, Kleidung, faulende Lebensmittel aller Art, zerfließende Bananenschalen, Knochen, Batterien, all das macht die Arbeit für die Beteiligten manchmal zum Albtraum. Unglaubliche Mengen von Teelichtbehältern aus den Kirchen des Dekanats tun ihr übriges dazu - zwanzig bis dreißig große Müllsäcke jährlich und jeder Teelichtbehälter muss in Handarbeit vom Dochthalter und Wachs befreit werden. Doch die Schüler lassen sich nicht abschrecken und machen weiter, denn sie wissen, ihr Einsatz ist sinnvoll.

So brachte Ende September ein Container der Fa. Egon Behle erneut kostenlos 2.200 kg sorgsam zu Ballen gepresste Joghurt-Deckel, Teelichter und anderes zur Fa. Otto Hees in Olsberg. Insgesamt wurden bis jetzt 30.740 kg abgeliefert. Über 44.000 Euro hat die Aktion ALU bis jetzt für die Kindertagesstätte Servir und andere Projekte in Januária (Brasilien) gebracht; eine große Hilfe in einer Gegend, wo das Durchschnittseinkommen einer Familie bei allenfalls 100 Euro im Monat liegt.

Bild 5 Bild vergrößern 2.200 kg Aluminium, das Beladen des Containers ist echte Schwerarbeit

Eine Obstwiese für Servir

Konferenzen können manchmal sehr langatmig sein, langweilig sogar, zumindest phasenweise. Aber gerade darin liegt ihre Kraft. Verleiten solche Augenblicke doch gelegentlich dazu, den Blick nach innen zu wenden, über Dinge nachzudenken, die wesentlicher erscheinen, Zukunft zu planen. Kurzum, diese Momente sind Brutstätten positiven Denkens, die als solche allein schon die Zusammenkunft rechtfertigen.

So auch die 1. Lehrerkonferenz des Schuljahres 2004/2005. Kollege X referiert gerade über die Aktion "Gesunde Ernährung" an Schulen, und dass eine ihm bekannte Organisation Schritte in dieser Richtung finanziell unterstützt, da fällt Kollegin Y ein, man könnte doch im Brachgelände der Schule einen Obstgarten in diesem Sinne anlegen. Kollege Z grübelt im gleichen Moment darüber nach, was man denn sonst noch so an Aktivitäten für das anstehende 20jährige Jubiläumsjahr von Servir in Angriff nehmen könnte. Was im Rest des Kollegiums vorging, wird sich nicht mehr ermitteln lassen, aber das reicht ja auch schon. Die drei Kollegen kamen am Ende der Konferenz zusammen und das Projekt "Obstwiese für Servir" war geboren.

Für die Fachschaft Biologie, so wurde man sich schnell klar, bietet ein solches Projekt eine Vielfalt von Möglichkeiten, den theoretischen Unterricht durch Praxisbezug zu bereichern. So kann in den unteren Klassen die Entwicklung von Blüten und der Blütenbau untersucht werden, in der Mittelstufe bieten sich beim Thema Ökologie tier- und pflanzensoziologische Untersuchungen an und vieles andere mehr. Natürlich möchten die Biologen mit der Obstwiese auch einen Beitrag dazu leisten, den Erhalt alter Obstsorten zu fördern. Im heutigen, modernen Obstanbau ist die Sortenzahl sehr begrenzt. Der Handel bevorzugt nur einige wenige Sorten, die in großen Mengen angeboten werden. In den neunziger Jahren nannte die Bundessortenliste zum Beispiel nur 16 "anbauwürdige" Apfelsorten. Demgegenüber steht die Sortenvielfalt mit ihren ökologischen und genetischen Vorteilen. Kurzum, für die Biologen ist die Obstwiese eine ideale Möglichkeit, vorgegebene Unterrichtsinhalte praxisorientiert zu vermitteln und den Schülern den Umgang mit der Natur näher zu bringen.

Für den Arbeitskreis Servir ist die Anlage der Obstwiese im 20. Jahr seines Bestehens ein deutliches Signal in die Zukunft. Wer Bäume pflanzt, denkt nicht an ein Ende, denkt in diesem Fall nicht daran, dass es keine Servir-Gruppen am Gymnasium Maria Königin mehr geben könnte. Doch die Schülerinnen und Schüler im Projekt zu halten gelingt nur dann mit Erfolg, wenn man ihnen Möglichkeiten bietet, konkret etwas zu tun. Theoretischer Umgang mit den Problemen der Dritten-Welt alleine reicht nicht.

Während beim Projekt ALU das Sortieren des Aluminium-Mülls ein wenig an die Müll-Kinder in den Slums der Großstädte dieser Welt erinnert, drängt sich bei der Obstwiese der Gedanke an diejenigen Kinder auf, die in den großen Plantagen der Dritten Welt für einen Hungerlohn arbeiten, sei es in der Bananen- oder Orangenernte oder aber auf nicht enden wollenden Baumwollfeldern.

Wer sich diese Zusammenhänge als Schüler beim konkreten Handeln am Sortiertisch oder in Zukunft auch auf der Obstwiese bewusst macht, bekommt einen emotionalen Bezug zu den betroffenen Kindern und wird nachhaltig motiviert, an Gottes Einer Welt mit zu bauen. Das ist sicherlich auch einer der Gründe dafür, dass die Fluktuation in den in der Mittelstufe entstehenden Servir-Gruppen bis hin zum Abitur sehr gering ist.

Zurück zu den drei o.g. Kollegen. "Per aspera ad astra" - frei übersetzt: der Weg zu den Sternen ist steinig. Mehrere große Arbeitseinsätze waren erforderlich, um das Projekt Obstwiese zu realisieren. Zunächst mussten etwa 40 Lärchen gefällt werden, die auf dem vorgesehenen Grundstück ein kümmerliches Dasein fristeten. Der frühe Wintereinbruch 2005 machte diesen Vorgang erst Anfang 2006 möglich. Der Abtransport verzögerte sich um Wochen, so dass an ein Pflanzen der Bäume im Frühjahr 2006 nicht gedacht werden konnte. Der Vorteil dieser Verzögerung für die Organisatoren lag sicherlich darin, dass ohne Zeitdruck geplant werden konnte.

In den Sommerferien rückte eine große Bodenfräse an, die das 800 Quadratmeter große Gelände in der beeindruckenden Zeit von drei Stunden unter einer riesigen Staubwolke von Grund auf umwälzte. Das Gelände war anschließend nicht mehr wieder zu erkennen. Die Fenster der anliegenden Häuser auch nicht.

Bild 6 Bild vergrößern Die Bodenfräse kennt kein Erbarmen

Der erste Einsatz von Schülern erfolgte in den Herbstferien. Am ersten Ferientag um 7:30 Uhr standen tapfer die Servir-Schüler der Klasse 9c und zwei verschlafene Lehrer mit Hacke und Schüppe bereit, um mit nicht zu unterschätzender Hilfe eines Baggers die Pflanzlöcher in dem steinreichen Gelände auszuheben und zur Hälfte mit fruchtbarem Mutterboden zu füllen.

Anfang November dieses Jahres lieferte der Besitzer der beauftragten Baumschule die ersten 20 Halbstämme höchstpersönlich an. Mit sichtlicher Freude an dem geplanten Projekt demonstrierte er den aufmerksamen Neuntklässlern das Pflanzen des ersten Baumes. Danach übernahmen die Schüler die Arbeiten in Eigenregie: Löcher ausheben, Drahtkörbe zum Schutz gegen Wühlmäuse anfertigen, Stützpfähle einschlagen, Bäume einsetzten, Wildschutz anbringen und immer wieder - Schubkarre für Schubkarre - Erde mit Kompost mischen und einfüllen. Zumindest der Transport der wasserschweren Muttererde hin zu den Pflanzlöchern blieb ihnen dank Bruno, dem Hausmeister im Außendienst, erspart. Ohne den schuleigenen Traktor mit seinem großen Transportkasten hätte die Aktion mehrere Tage in Anspruch genommen. So aber hieß es nur Kasten beladen, Kasten entladen. Doch auch das war schon schwer genug.

Bild 7 Bild vergrößern Der erste Baum wird noch durch den Fachmann gepflanzt

Die körperlichen Arbeiten waren für die Schüler ungewohnt, und so wunderte es nicht, dass der anfängliche Elan bald nachließ. Dennoch wurde unermüdlich bis in den späten Nachmittag "geackert", wenn auch die fröhlichen Lieder, Zeichen allerbester Laune und Befindlichkeit, stetig leiser wurden. Die Befindlichkeit ging, doch die Laune blieb, und so ließ es die Gruppe sich auch nicht nehmen, die Bäume mit neuen Namen versehen: Spitznamen wie "Maddin" oder in Anspielung auf die Zweihäusigkeit zweier Kirschbäume "Romeo und Julia". Was bei dieser Freilandtaufe in den Bäumen von zum Teil adliger Provenienz wie z.B. "Prinz Albrecht von Preußen" vorging, war den Schülern offensichtlich völlig egal.


Neues aus Brasilien

Die Situation in der Diözese Januária ist unverändert schwierig; der Zufluss von Landlosen aus den noch ärmeren angrenzenden Gebieten von Bahia ist weiterhin ungebremst. In Juveniliea, etwa 200 km von Januária entfernt, ist in kürzester Zeit ein neues Stadtviertel entstanden. Dieses Viertel mit dem bezeichnenden Namen "Stadt der Spatzen" wächst ständig. Mehr als 300 Familien wohnen inzwischen dort. Sie leben überwiegend vom Fischfang, den der nahe gelegene Rio Garinhana ermöglicht. Für die mittellosen Familien unter ihnen baut der Bischof gerade in Zusammenarbeit mit der Pastoral da Crinaça ein neues Betreuungszentrum, im Wesentlichen ein Haus mit einem größeren Saal, einer Küche und Ausbildungsräumen.

Wie wichtig diese Einrichtungen für die Gesundheit und Erziehung der Kinder sind, deren Eltern sich im Kampf um das Überleben kaum um ihre Kinder kümmern können, haben wir immer wieder bei unseren Aufenthalten in Brasilien erleben können. Die Schwestern, die dort in der unwirtlichen Gegend arbeiten, brauchen dringend einen Geländewagen. Der Bischof hofft, diesen mit Hilfe von Adveniat finanzieren zu können.

110 km von Januária entfernt baut er gerade ein weiteres Gemeinschaftshaus für eine neue Ortsgründung der "Bewegung für das Land". 60 Familien, die erst kürzlich dort angesiedelt wurden, haben jeweils von der Regierung ein Stück Land bekommen. Die meisten haben bereits ein kleines Haus, der Rest lebt noch in Zelten oder einfachsten Hütten. Der Boden ist fruchtbar und es gibt, keine Selbstverständlichkeit, genügend Wasser dort. Im Oktober besuchte der Bischof diese Neusiedlung und konnte bei dieser Gelegenheit 40 Kinder firmen.

Auch in den Elendsvierteln Januárias hat der Bischof weitere einfache Häuser für Menschen gebaut, die ihr Leben bis dahin in Zelten aus Plastikplanen oder Tuchfetzen fristeten. Dabei stellt er nur die notwendigen Materialien zur Verfügung, bauen müssen die Betroffenen ihre kleinen Häuser natürlich selbst.

Zur Finanzierung all dessen reicht unser Beitrag natürlich nicht aus, zumal jedes neue Zentrum auch die kontinuierliche Finanzierung von geschultem Personal nach sich zieht. Die Stadt Januária und das Bundesland Minas Gerais halten sich, wo möglich, bei der Finanzierung zurück. So sind unsere Spenden weiterhin eine notwendige Stütze für Bischof Anselmo Müller.


Danke!

Die Liste der Danksagungen ist dieses Jahr etwas länger als sonst. Unser herzlicher Dank gilt zunächst all denjenigen, die durch große und kleine Spenden dazu beigetragen haben, dass in diesem Jahr nach Abzug aller Ausgaben über 45.000 Euro nach Brasilien überwiesen werden konnten.

Unser besonderer Dank gilt insbesondere auch denen, die durch ihren körperlichen Einsatz zum Erfolg beigetragen haben. Dazu zählen natürlich wie immer der Missionskreis Würdinghausen und die Schüler des AK Servir, insbesondere die Gruppe der Klasse 9c, die mit großem Fleiß die Obstwiese in den Spatenstiel stieß. Im gleichen Zusammenhang ein großes Dankeschön an den Kassenwart des Servir e.V., Andreas Behle, der die Geländefräse besorgte und den Bagger und sonstige Gerätschaften zur Verfügung stellte. Vergessen werden sollte an dieser Stelle auch nicht der Oberstufen-Fêten Verein, der VzFdFdSP e.V., der wieder einmal eine großzügige Spende überwiesen hat. Dank auch an die Fa. Egon Behle, die ihr 75jähriges Firmenjubiläum zum Anlass nahm, Spenden zugunsten des Projektes zu sammeln. Zu guter Letzt auch noch ein Dankeschön an Dirk Reichling, der mit seinem Erlebnis-Urlaub gezeigt hat, dass die Wege, anderen zu helfen, vielfältig sind und dass Helfen und Bereicherung durchaus zwei Seiten ein und derselben Medaille sein können.


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