Zehn Jahre UN-Kinderrechtskonvention - Eine Zwischenbilanz

 Was wurde bisher erreicht?
 Die Lage der Kinder ist Maßstab für Fortschritt: Herausforderungen und Probleme
 Kinderarbeit: 250 Millionen Kinder müssen arbeiten
 Bildung: 130 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule
 Gesundheit: Jeden Tag sterben über 30.000 Kinder
 Weltweit "fehlen" zwischen 60 und 100 Millionen Frauen
 Kinder im Krieg: 300.000 Kinder werden als Soldaten missbraucht
 Deutschland: Über eine Million Kinder leben von der Sozialhilfe


Die UN-Kinderrechtskonvention gibt Orientierungsmarken für die Schaffung einer kinderfreundlichen Gesellschaft. Sie formuliert Standards, die alle Bereiche betreffen: die Gesellschaft genauso wie die Familie, die Rechtsprechung ebenso wie die Kinder- und Jugendpolitik. Mit der Kinderrechtskonvention haben Bürger und alle gesellschaftlichen Gruppen ein Instrument in der Hand, um die Rechte von Kindern wirkungsvoll zu vertreten. Am 20. November 1999 wurde die Konvention zehn Jahre alt.

Der Bericht ist ein Auszug eines Artikels auf der Hompage von UNICEF. Konkrete Fälle von Menschenrechtsverletzungen an Kindern und vorgeschlagene Briefaktionen finden Sie unter Aktionen.

Cartoon Kein Kind soll den Schnabel halten müssen!


Was wurde bisher erreicht?

Der weltweite Einsatz für Kinderrechte wurde gestärkt
Doch elementare Kinderrechte werden weiter verletzt

Die Lage der Kinder ist Maßstab für Fortschritt: Herausforderungen und Probleme

Die UN-Kinderrechtskonvention macht die Lage der Kinder zum Maßstab für den Zustand einer Gesellschaft. Kinder müssen als Zentrum von Entwicklung begriffen werden. Von der Verwirklichung ihrer elementaren Menschenrechte hängt es ab, ob es gelingt eine menschenwürdige und gerechte Welt zu schaffen. Den beachtlichen Fortschritten bei der Verwirklichung der Kinderrechte stehen fortdauernde und neue Probleme gegenüber. Einige Beispiele:


Kinderarbeit: 250 Millionen Kinder müssen arbeiten

UN-Kinderrechtskonvention Artikel 32: "Jedes Kind hat das Recht, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt zu werden."

Weltweit arbeiten schätzungsweise 250 Millionen Kinder zwischen fünf und 14 Jahren unter Bedingungen, die ihrer Entwicklung schaden. Fast die Hälfte von ihnen arbeitet ganztags. Kinder, die wirtschaftlich ausgebeutet werden, sind in ihrer gesamten körperlichen und geistigen Entwicklung beeinträchtigt. Häufig werden sie bei der Arbeit misshandelt oder müssen gefährliche Tätigkeiten ausüben. Meist haben sie weder Zeit noch Kraft für den Schulbesuch.

Kinderarbeit findet in der Regel nicht in Vertragsverhältnissen statt. Die Kinder "helfen" in der Landwirtschaft. In den Städten arbeiten sie als fliegende Händler auf der Straße, als Dienstboten oder in der Familienwerkstatt. Millionen Mädchen schuften als Dienstmädchen in fremden Haushalten. Sie leben oft isoliert von der Familie und erhalten weder ausreichend zu essen noch Lohn. Vielfach sind sie sexuellen Übergriffen durch ihre Dienstherren ausgeliefert. In Asien werden jedes Jahr Tausende Mädchen gegen ihren Willen in Bordelle gebracht, wo sie unter sklavenähnlichen Bedingungen als Prostituierte arbeiten müssen.

Ein Teil der Kinder - etwa fünf Prozent - arbeitet in der Exportwirtschaft. Sie knüpfen beispielsweise Teppiche, stellen Feuerwerkskörper her, arbeiten auf Obstplantagen oder nähen Fußbälle und Textilien. Den meisten international tätigen deutschen Unternehmen ist dies bisher kaum bewusst. Bei einer UNICEF-Befragung von 52 führenden deutschen Firmen im Sommer 1998 hatten weniger als die Hälfte überprüft, ob Kinderarbeit bei ihren Zulieferern vorkommt. Nur fünf Unternehmen hatten detaillierte Leitlinien und Kontrollmechanismen entwickelt.


Bildung: 130 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule

UN-Kinderrechtskonvention Artikel 28: "Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung."

An der Schwelle zum 21. Jahrhundert wird Millionen Kindern noch immer das Recht auf Grundbildung vorenthalten. Falsche politische Prioritäten in Entwicklungsländern, eine erdrückende Schuldenlast und eine wenig vorausschauende Entwicklungshilfepolitik sind die Ursache dafür, dass immer weniger Geld für die Bildung der ärmsten Bevölkerungsschichten bereitsteht.

Zwar sind die Einschulungsraten in den vergangenen Jahrzehnten überall deutlich gestiegen: Doch immer noch gehen weltweit 130 Millionen Kinder im Grundschulalter nicht zur Schule. Zwei Drittel von ihnen sind Mädchen. Dabei bringen Investitionen in Mädchenbildung den größten Ertrag. Und sie tragen zur Reduzierung des Bevölkerungswachstums bei.

Und selbst wenn Kinder eingeschult werden, garantiert dies noch keine ausreichende Grundbildung. In Südasien brechen 40 Prozent der eingeschulten Kinder vorzeitig sie Schule ab. In Afrika sind es 33 Prozent, in Lateinamerika 26 Prozent. Die Gründe liegen in der schlechten Qualität des Unterrichts. Überfüllte Klassenräume, kaum ausgebildete und schlecht bezahlte Lehrer, fehlende Hefte, Stifte, Schulbücher, Tische oder sanitäre Anlagen bestimmen den Schulalltag in den Entwicklungsländern. Und dafür müssen die Eltern auch meist noch Schulgeld bezahlen. Deswegen schicken arme Eltern ihre Kinder oft lieber arbeiten als zur Schule.

Um allen Kindern eine Grundschulbildung zu ermöglichen, wäre in den nächsten zehn Jahren ein Mehraufwand von sieben Milliarden Dollar pro Jahr nötig. Das ist weniger, als in den USA jedes Jahr für Kosmetika ausgegeben wird.


Gesundheit: Jeden Tag sterben über 30.000 Kinder

UN-Kinderrechtskonvention Artikel 24: "Jedes Kind hat ein Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit."

In den letzten drei Jahrzehnten konnte die Kindersterblichkeit mehr als halbiert werden. Aber immer noch sterben Jahr für rund elf Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag. Das sind über 30.000 am Tag. Zwei Drittel dieser Kinder erliegen Krankheiten, gegen die es längst einfache und wirkungsvolle Medikamente gibt. An sich harmlose Kinderkrankheiten sind in Entwicklungsländern weiter eine tödliche Gefahr. Allein an Masern sterben jährlich 800.000 Kinder.

Neben der unzureichenden medizinischen Versorgung sind der fehlende Zugang zu sauberem Wasser und unzureichende Ernährung Hauptgründe für die weiterhin hohe Kindersterblichkeit. Die Hälfte der Menschheit hat zum Beispiel keine Möglichkeit, eine Toilette zu benutzen. Wo es keine Abwasserentsorgung gibt, breiten sich Krankheitserreger und Parasiten aus. Weil sie häufig unzureichend ernährt sind, haben die Kinder Infektionskrankheiten nichts entgegenzusetzen. In mehr als 50 Prozent der Todesfälle bei Kindern spielt Mangelernährung eine entscheidende Rolle.

Hinzu kommen neue Krankheiten wie AIDS. Heute sind weltweit rund 1,1 Millionen Kinder mit dem HI-Virus infiziert. Jeden Tag sterben 1.300 von ihnen an den Folgen von AIDS. Neun von zehn HIV-positiven Kindern wurde das Virus von ihren Müttern überragen. In Ländern wie Botswana und Simbabwe ist die Immunschwächekrankheit bereits die Todesursache Nummer eins bei Kindern.


Weltweit "fehlen" zwischen 60 und 100 Millionen Frauen

UN-Kinderrechtskonvention Artikel 2: "Kein Kind darf z.B. wegen seines Geschlechts benachteiligt werden."

Mädchen haben in vielen Ländern bis heute schlechtere Lebensbedingungen als Jungen. Sie werden schlechter ernährt und medizinisch versorgt, müssen erheblich mehr im Haushalt mithelfen und dürfen oft nicht zur Schule gehen. Eine hohe Sterblichkeitsrate, Mangelernährung und Analphabetismus sind die Folgen.

Aufgrund der erhöhten Mädchensterblichkeit "fehlen" weltweit über 100 Millionen Frauen. In Indien kamen bei der letzten Volkszählung 1991 auf 1.000 Männer nur 929 Frauen. Ursache hierfür sind neben der massiven Benachteiligungen von klein an auch Praktiken wie geschlechtsspezifische Abtreibungen und Mädchentötungen.

Ein großes Problem ist das frühe Heiratsalter in zahlreichen Entwicklungsländern. Wenn 14-jährige Mädchen heiraten, bedeutet dies nicht nur das abrupte Ende der Kindheit. Viele Mädchen werden schon bald darauf Mutter. Doch ihr Körper ist darauf nicht vorbereitet. An den Folgen verfrühter Schwangerschaften sterben jedes Jahr 150.000 Teenager.

Überall auf der Welt müssen Mädchen bedeutend mehr familiäre Pflichten übernehmen als Jungen: In Afrika und Asien arbeiten sie sieben und mehr Stunden täglich im Haus und auf dem Feld, Jungen dagegen nur drei Stunden. Deshalb haben sie weniger Zeit und Kraft für die Schule: Von den weltweit 130 Millionen Kindern, die nicht zur Schule gehen, sind zwei Drittel Mädchen.

Eine krasse Verletzung der Kinderrechte ist die Mädchenbeschneidung. Jedes Jahr werden fast zwei Millionen Mädchen an ihren Geschlechtsorganen verstümmelt. Dieses uralte Ritual führt oft zu lebensgefährlichen Infektionen und schweren psychischen Störungen.


Kinder im Krieg: 300.000 Kinder werden als Soldaten missbraucht

UN-Kinderrechtskonvention Artikel 38: "Die Vertragsstaaten treffen alle durchführbaren Maßnahmen, um sicherzustellen, dass von einem bewaffneten Konflikt betroffene Kinder geschützt und betreut werden."

Noch nie haben so viele Kinder unter Kriegen gelitten wie in diesem Jahrhundert. Im zurückliegenden Jahrzehnt starben zwei Millionen Kinder in Kriegen. Sechs Millionen trugen Verletzungen davon.

Kinder gerieten dabei nicht nur zufällig ins Schussfeld, sondern wurden absichtlich zur Zielscheibe militärischer Angriffe. Denn die Kriege von heute sind Kriege gegen Zivilisten. Zu Beginn des Jahrhunderts machten diese nur fünf Prozent der Opfer aus. Heute sind es bis zu 90 Prozent.

Die meisten Kinder sterben jedoch nicht durch Waffengewalt, sondern an den "stillen" Folgen der Konflikte: an fehlendem Impfschutz, weil die Gesundheitsversorgung zusammengebrochen ist wie im Bürgerkrieg in Somalia; an Hunger wie im Sudan; an verseuchtem Wasser und Epidemien wie in Ruanda. Und auch wenn nicht mehr gekämpft wird, ist die Gefahr noch lange nicht vorbei. Alle 90 Minuten wird ein Kind durch eine Landmine verstümmelt oder getötet.

Neben körperlichen Verletzungen erleiden Kinder oft auch tiefe seelische Wunden. Sogenannte posttraumatische Störungen wie Bettnässen, Konzentrationsstörungen, Herzrasen, Zittern und Übelkeit begleiten sie jahrelang.

Kriege machen Kinder jedoch nicht nur zu Opfern. Weltweit werden 300.000 Kinder als Soldaten missbraucht. Die meisten schuften als Boten, Träger oder Spione. Misshandlungen sind an der Tagesordnung. Häufig werden Kindersoldaten unter Drogen gesetzt und in den Kampf geschickt.


Deutschland: Über eine Million Kinder leben von der Sozialhilfe

UN-Kinderrechtskonvention
Artikel 27: "Die Vertragsstaaten erkennen das Recht jedes Kindes auf einen angemessenen Lebensstandard an."
Artikel 22: "Jedes Flüchtlingskind erhält angemessenen Schutz."

Zwar geht es den meisten Kindern in Deutschland im Vergleich zu ihren Altersgenossen in Entwicklungsländern gut. Doch auch bei uns wachsen immer mehr Kinder in Armut auf oder müssen Gewalt und sexuellen Missbrauch erleiden.

Besonders hoch ist das Armutsrisiko für Kinder, die bei einem alleinerziehenden Elternteil leben, zwei oder mehr Geschwister haben oder aus Zuwandererfamilien stammen. Diese "relative" Armut bedeutet für die Kinder oft erhebliche Benachteiligungen, wenn sie zum Beispiel bei Klassenfahrten zu Hause bleiben müssen, keine Freunde nach Hause einladen oder nicht in den Sportverein gehen können.

In Schulen und Kindergärten sind körperliche Strafen zwar verboten. Eltern dürfen ihre Kinder dagegen bis heute ungestraft schlagen. Für zwei Drittel aller Kinder gehören Ohrfeigen zum Erziehungsalltag. Doch jedes Jahr werden 150.000 Kinder unter 15 Jahren so misshandelt, dass sie Verletzungen davontragen.

Viele der rund 1,85 Millionen ausländischen Kinder müssen Diskriminierungen und Zurückweisungen hinnehmen. Bei einer Umfrage unter elf- bis sechzehnjährigen Schülern in Sachsen-Anhalt äußerten 25 Prozent Verständnis für körperliche Gewalt gegen Ausländer.

Besonders schwer haben es die 220.000 Flüchtlingskinder in Deutschland. Viele werden lediglich "geduldet". Der ungesicherte Aufenthaltsstatus ist mit Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung, beim Schulbesuch und bei der Ausbildung verbunden. Unbegleitete Flüchtlingskinder sind im Asylverfahren meist ganz allein auf sich gestellt. Wenn sie unter 16 Jahre alt sind, erhalten sie zwar einen Amtsvormund. Doch dieser ist oft überlastet. In Berlin etwa betreut ein Amtsvormund 300 Mündel.


Quelle: UNICEF - Eine Organisation der Vereinten Nationen

UNICEF

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