Pressespiegel

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Comunidade em Brazil - MK-Schüler „auf unendlich wertvoller Reise“

Januária. Brasilianer sind anders als Deutsche, das steht für uns spätestens seit dem vergangenen Samstag endgültig fest.Andiesem Tage waren wir zu einer Veranstaltung im Servir eingeladen, bei der es eigentlich um ein sehr ernstes Thema ging, was die Zukunft des Landes betrifft und in der auch die Kinder des Servir schon eingebunden werden sollen. Natürlich ging es hierbei, wie auch in der Messe des Sonntags letzter Woche, um die Zukunft des Rio São Francisco, der Lebensader Januárias, nur kindgerecht aufbereitet.

Einige Laiendarsteller, unter anderem Angestellte und Kinder des Servir, stellten in einfachen aber eindrücklichen Szenen die Geschichte eines typischen Kleinbauern aus der Region dar. Über Generationen pflanzt er seine landwirtschaftlichen Produkte an, verkauft einen großen Teil davon und lebt mit sich, seiner Familie und derUmwelt im Einklang. Dann kommt plötzlich die Agroindustrie, verkauft besondere Saatgüter und den dazu nötigen Dünger und verspricht dem Bauern eine glückliche, wesentlich arbeitsärmere Zukunft. Das geht natürlich schief - der Bauer muss sein Land verkaufen und wird von der eigenen Scholle vertrieben. Seine Sorgen ertränkt er im Alkohol während die Familie auseinanderbricht und verelendet. Das ganze wurde untermalt von auf das Thema zugeschnittenen Tanzeinlagen der Kinder und Jugendlichen. Krönender Abschluss war die Prämierung eines für die Jugendlichen ausgeschriebenen Lyrik- Wettbewerbs zum gleichen Thema.

Nach dieser lehrreichen und offenbar in vielen Unterrichtsstunden vorbereiteten Veranstaltung stürmte die „Band“ des Servir die Bühne und stimmte typische brasilianische Musik an, auf die dann alle wild lostanzten. Dass es 11 Uhr am Morgen war, spielte keine Rolle, und nach anfänglichem Zögern konnten sich auch manche der sonst steifen deutschen Gäste nicht mehr zurückhalten und tanzten hemmungslos mit. Gegen Mittag verlief sich das ganze und für uns begann ein recht erholsames Wochenende, an den wir neue Kraft für die Arbeit sammeln konnten.

Bild1 Nach den lehrreichen und offenbar in vielen Unterrichtsstunden vorbereiteten Veranstaltung stürmte die „Band“ des Servir die Bühne und stimmte typische brasilianische Musik an.

Besuch beim Bischof

Am Montagmorgen setzten wir entgegen unserem ursprünglichen Plan nicht direkt Arbeit im Servir fort. Stattdessen besuchten wir den neuen Bischof von Januária. Er führte uns durch sein Haus und lud uns schließlich zu einem Gespräch in seinem Wohnzimmer ein. Hier erfuhren wir interessante und teilweise auch schockierende Fakten über die konkrete Situation in Januária. Die Korruption blüht und ihre Wurzeln sind nahezu unangreifbar. Sechs Bürgermeister sind wegen Korruption in den letzten vier Jahren abgesetzt worden, ein trauriges Bild. Auch Sekten haben in dieser armen Region starken Zuwachs, es mangelt an Ansprechpartnern in den großen Kirchen. Aber der Bischof will sich engagieren und er bot an, uns eines seiner Projekte zu zeigen. So engagiert er sich in Santo Domingo für den Wiederaufbau einer alten Kinderkrippe, die zu Zeiten unseres alten Bischofs, Dom Anselmo Müller, noch florierte, dann aber, nachdem die Mittel der Stadt gestrichen wurden, in wenigen Jahren zusammenfiel. Nur der chemiefreien Garten wird noch von ehemaligen Angestellten weitergeführt.

Bild2 Der neue Bischof von Januária führte uns durch sein Haus und lud uns schließlich zu einem Gespräch in seinemWohnzimmer ein. Hier erfuhren wir interessante und teilweise auch schockierende Fakten über die konkrete Situation in Januária.

Als wir dann am Nachmittag wieder im Servir unserer Streicharbeit nachgingen, fiel uns etwas auf, was aus unserer Sicht schade ist. Die Ferien, die wegen eines Lehrerstreiks verschoben worden waren, fingen an und damit endete das große Spektakel im Servir. Viele der Kinder und Jugendlichen kommen nämlich in den Ferien nicht dorthin, und wegen der Streicharbeiten wurden die Aktivitäten, die sonst angeboten werden, gedrosselt. Zum Glück gibt es aber ein paar fleißige Brasilianer, die sich unserem Tun angeschlossen haben und uns mit Pinsel und Rolle tatkräftig unterstützten. Nach einigen Diskussionen mit dem Personal ist es uns auch gelungen, dass diese Jugendlichen sich während der Mahlzeiten sich mit an unseren Tisch durften. Mit dieser im Sinne einer Begegnungsfahrt veränderten Sitzordnung konnten wir schließlich auch unsere doch immer noch recht dürftigen Portugiesischkenntnisse aufpolieren, die Konversation wurde von Mahl zu Mahl besser. Dabei entdeckten wir auch die Freude der Brasilianer am Singen. Sie ließen uns einige Deutsche Volkslieder singen, und erwiderten diese mit eigenem Liedgut. So entwickelte sich eine tolle Gemeinschaft, deren baldiges Ende sich langsam auf unser Gemüt legt.

Neue Gemeinschaft

Das Entstehen einer anderen, neuen Gemeinschaft durften unsere Mädels in Pequeno Davi erleben. Zwischen all dem Wickeln, Füttern und dem Geschrei wurde in dieser Woche ein kleiner Junge von reicheren einheimischen Eltern adoptiert. Dieses Ereignis rief sowohl bei den Brasilianern als auch bei uns große, tränenreiche Freude hervor. Wir wünschen dem kleinen und seiner neuen Familie alles Gute, auf dass er sein Leben lange und gesund genießen kann. Auch der Nachmittag des vergangenen Dienstag hatte eine Überraschung für uns parat. José, der „Mann mit dem grünen Daumen“, führte uns durch den Garten des Servir und erklärte uns, dass hier alles ohne Chemie oder synthetische Stoffe wächst und gedeiht. Die Früchte und das Gemüse werden im Servir gebraucht, aber auch weiterverkauft.

Bild3 Das Entstehen einer anderen, neuen Gemeinschaft durften unsere Mädels in Pequeno Davi erleben. Zwischen all dem Wickeln, Füttern und dem Geschrei wurde in dieser Woche ein kleiner Junge von reicheren einheimischen Eltern adoptiert.

Ohne Chemie

In der nächsten Zeit soll der Garten zudem erweitert werden. Als die Führung sich dem Ende näherte, tauchte ein kleines Fernsehteam einen Lokalsenders auf, die uns bei Gang durch den Garten filmten und Interviews mit uns aufnahmen. Außerdem bannten sie unsere Streicharbeit und das fast schon obligatorische Fußballspielen nach getaner Arbeit auf den Film. Die Übertragung des Beitrags im örtlichen Fernsehen führte dazu, dass uns in der Folge viele Einheimische ansprachen und uns für unsere Arbeit hier viel Anerkennung und Lob entgegenbrachten.

Bild4 José, der „Mann mit dem grünen Daumen“, führte uns durch den Garten des Servir und erklärte uns, dass hier alles ohne Chemie oder synthetische Stoffe wächst und gedeiht.

Mehr als die Hälfte unserer Reise ist nun schon wie im Flug vergangen, so vieles ist hier schon passiert und hat und beeindruckt. Trotzdem wird es nie langweilig - so stand zum Beispiel am Dienstag die Polizei voll bewaffnet vor unserer Tür, aber... das erzählen wir nur unseren Eltern. Unsere Zeit in Januária neigt sich dem Ende, am Mittwoch geht es weiter in Richtung Santarem, vonwoaus wir bei einer dreitägigen Bootsfahrt den Tapajos und Amazonas erkunden werden, bevor es dann zurück in die Heimat geht. Aber schon jetzt steht fest, dass die Reise unendlich wertvoll ist, ein prägendes Erlebnis für alle Beteiligten. Wir werden die Brasilianer und ihr Land sicherlich vermissen und hoffen doch, einmal wieder in diese Gegend zu kommen. Aber zuvor wollen wir auch die letzten Züge (oder besser gesagt: „Flüge“) genießen.

Quelle: Westfalenpost - 27. Juli 2010

Westfalenpost

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