Pressespiegel

Lehm erst mit den Füßen gestampft und dann geformt

"Die Schüler sollen ein Bewußtsein für die Lage der Menschen in der dritten Welt bekommen", hatte Werner Liesmann, Lehrer am Altenhundemer Gymnasium Maria Königin, vor der Reise nach Brasilien gesagt. Zehn Schülerinnen und Schüler, zum Teil ehemalige, nahm er mit nach Südamerika, wo alle gemeinsam aktive Hilfe leisteten. Die Jungen bauten eine Getreidemühle, die Mädchen halfen im Projekt "Servir" mit, einer Kindertagesstätte, die von Lehrern, Schülern und Eltern der Altenhundemer Penne seit vielen Jahren unterstützt wird. Nina Möllers aus Bamenohl und Markus Epe aus Kirchveischede waren in Brasilien dabei. Beide schildern auf dieser Seite Eindrücke ihres vierwöchigen Aufenthaltes, nach dem sie die Welt mit andere Augen sehen.

Von Markus Epe

Um uns herum war nur Staub, während wir in dem blauen Lkw langsam durch den tiefen Sand und über die harten, waschbrettähnlichen Flächen fuhren. Kurz hinter Januaria hatte die geteerte Straße aufgehört, und vor uns lagen 30 Kilometer Sandpiste bis nach Quebra Guiada, einem Dörfchen an einem Seitenarm des Rio São Francisco. Hier scheint die Zeit vor vielen Jahren stehengeblieben zu sein. Die Hütten sind aus Lehm oder selbstgebrannten Lehmziegeln. Die Werkzeuge sind einfach, und die Bewohner waschen ihre Wäsche und ihr Geschirr noch im Fluß. Bei unserer Ankunft war das ganze Dorf versammelt, das aus sechs Familien mit durchschnittlich fünf bis sechs Kindern besteht.

Die Begrüßung war sehr herzlich, und viele Hände packten mit an, den Lkw abzuladen. Es wurden gemeinsam Zelte aufgestellt, in denen wir für zwei Wochen wohnen werden. Am Abend, im Schein der Gaslampe, saßen viele Bewohner des Dorfes mit uns vor dem Zelt, und es wurden erste Gespräche geführt, was sich aufgrund unserer unzureichenden PortugiesischKenntnisse manchmal als schwierig erwies.

Bild 1 Werner Liesmann war Leiter der Reise nach Brasilien.

Am nächsten Morgen begannen wir mit den Ausschachtungsarbeiten für eine Casa de Fariñha ein Mehlzentrum; das auch als Versammlungsort für die aus insgesamt 48 Familien bestehende Gemeinschaft dienen kann. Mittagessen gab es im Haus des "Bürgermeisters" Homiussu. Um 17.30 Uhr wurde es dunkel und um 18 Uhr war es völlige Nacht.

Vom nächsten Tag an arbeiteten wir im Rhythmus, und so kamen wir trotz der Hitze von 30 bis 33 Grad im Winter gut voran. Es gab zwischendurch immer wieder Verständigungsprobleme, aber die konnten wir mit Hilfe eines Lexikons lösen. Die Grabungen der Fundamente hielten uns wegen der Härte des Bodens und der einfachen Werkzeuge lange auf.

Bild 1 In der Hitze fällt es schwer, den harten Boden zu bearbeiten.

Nach Fertigstellung der Fundamentgräben begannen wir zusammen mit den Einheimischen mit der Herstellung von Lehmziegeln: Zuerst wird der Lehm mit Wasser gut feucht gemacht und mit den Füßen gestampft. Der fertige Lehm wird in eine Form gegeben. Die so geformten Ziegel werden zum Trocknen in die Sonne gelegt. Die Ziegel werden dann zu einem Ofen aufgeschichtet und gebrannt.

Bild 1 Bei der Herstellung der Lehmziegeln helfen alle mit.

Aus der Stadt kamen weiteres Baumaterial und zwei Maurer. Wir holten vom Strand Sand in einer Schubkarre und mischten Zement an, mit dem dem die Fundamente aus Bruchsteinen und Ziegeln gemauert wurden.

Der Bischof und seine Helfer versorgten uns mit' Lebensmitteln und Mineralwasser. Das Flußwasser, das die Einheimischen trinken, ist für uns ungenießbar.

Die Menschen leben in einfachen Verhältnissen ohne jenen Luxus, und sie sind doch zufrieden. Häufig ist es jedoch schwierig, die Familie zu ernähren, wie uns der Dorfchef Homiussu erzählte: "Ohne den Bischof wären wir schon verhungert." Die Frau des Dorfchefs kochte unser Essen. Das Fleisch lieferten die Hühner und Schweine des Dorfes. Ein großes Problem der Dorfbewohner ist der ständige Wassermangel. Ohne Regen wächst kaum etwas, außer Bäume, deren Wurzeln tief ins Erdreich reichen. Abhilfe könnten eine Bewässerungsanlage oder schon eine Pumpe schaffen.

Bild 1 Der Rio São Francisco bestimmt das Leben der Inselbewohner.

Auf der Ilha de Capivara einer Insel im Fluß, wird nach umfangreichen Studien der "Escola de Agricola de Federal de Januaria", der staatlichen Landwirtschaftsschule, mit Erfolg Maniok aufgebaut. Dazu wurde eigens eine ManiokMühle vom Bischof angeschafft, die vom Arbeitskreis Servir finanziert wurde. Auf der Insel ist außerdem die Schule der Gemeinschaft untergebracht. Zwei Monate im Jahr wird den einheimischen Kindern Lesen und Schreiben beigebracht, aber nur zehn Menschen der 48 Familien beherrschen die Grundregeln der Sprache. An der Vermittlung von Allgemeinbildung ist noch viel Arbeit zu leisten. Die Menschen haben keine Ahnung, wie es außerhalb ihres Dorfes oder außerhalb von Januaria aussieht. Durch die zwei Wochen unseres Aufenthalts haben die Leute von Quebra Guiada erfahren, daß es nicht nur Menschen gibt, die als Gaffer in ihr Dorf kommen und sich über ihre armseligen Verhältnisse lustig machen. Die Einheimischen glauben, daß Gott alle Dinge ändern wird. Aber die Patres erklären ihnen, daß vielmehr sie selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen müssen. Außenstehende wie wir können nur ein wenig Unterstützung geben. Der Abschied fiel beiden Seiten schwer. Die Einheimischen hatten uns als einen Teil ihrer Gemeinschaft akzeptiert Wir waren etwas Abwechslung im sonst so tristen Alltag. Wir fuhren ab in der Hoffnung, irgendwann noch einmal mit einen neuen Projekt zurückzukehren.

Quelle: Sauerlandkurier - 20. August 1995

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