Ächtung von Kindersoldaten

Die Tatsache, daß Kinder und Jugendliche immer öfter bewaffnet und in den Krieg geschickt werden, gehört nach Auffassung von amnesty international und anderen Menschenrechtsorganisationen auf die Tagesordnung der UNO- Menschenrechtskommission.

Von Volkmar Deile

"Die Menschheit schuldet den Kindern das Beste, was sie zu geben hat", verspricht die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Diese Konvention erfreut sich des höchsten Ratifizierungsstandes aller Menschenrechtspakte. Außer Somalia und den USA haben alle anderen 192 Länder die Geltung der in der Konvention niedergelegten Rechte für sich bindend anerkannt. Leider entspricht die Praxis diesem Versprechen nicht. Alle 90 Minuten wird auf dieser Welt ein Kind durch eine Landmine verstümmelt. Kinder unter 18 Jahren stellen einen wesentlichen Anteil der Flüchtlinge und der Opfer von Kriegen und bewaffneten Konflikten.

Sie sind aber auch direkt und aktiv an Kampfhandlungen beteiligt, sei es als Soldaten in regulären Armeen oder in bewaffneten politischen Gruppen. Die Gesamtzahl der Kindersoldaten schätzte der Graça-Machel-Bericht 1996 auf über 200.000. Olara Otunnu, Sonderbeauftragter des UNO- Generalsekretärs für Kinder in bewaffneten Konflikten, spricht sogar von über 300.000. Diese Zahl wird auch von einer Internationalen Koalition für die Beendigung des Einsatzes von Kindersoldaten, der mehrere internationale Menschenrechts- und Kinderschutzorganisationen angehören, bestätigt. In mindestens 34 Staaten sind Kinder unter 18 Jahren auf Regierungs- und Oppositionsseite aktiv an Kämpfen beteiligt. In 24 Ländern ist dies sogar für Kinder unter 15 Jahren der Fall. In 50 Staaten - unter anderem auch in Deutschland - können Jugendliche unter 18 Jahren (trotz fehlender Wahlmündigkeit) in die Streitkräfte aufgenommen werden.

Bild 1 Kindersoldaten in Afghanistan (1990).

Nach Artikel 1 der Kinderrechtskonvention ist "ein Kind jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat". Artikel 38 legt in Absatz 2 fest: "Die Vertragsstaaten treffen alle durchführbaren Maßnahmen, um sicherzustellen, daß Personen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen." Nach dieser völkerrechtlichen Definition dürfen Kinder und Jugendliche nach Vollendung des 15. Lebensjahres als Soldaten an bewaffneten Konflikten teilnehmen. Dieser schändliche Minimalkonsens der Regierungen wiederholt sich bedauerlicherweise im Statut für einen Internationalen Strafgerichtshof, das im Sommer 1998 in Rom verabschiedet wurde. Artikel 8 des Status erklärt den Einsatz von "Kindersoldaten" nur dann zu einem Kriegsverbrechen, wenn diese jünger als 15 Jahre sind.

Die Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen als Soldaten in regulären Armeen und bewaffneten Rebellengruppen hat verheerende Folgen. Sie werden zum Teil zwangsrekrutiert, zum Teil treten sie den bewaffneten militärischen Verbänden "freiwillig" bei, weil sie in immer grausamer werdenden innerstaatlichen bewaffneten Konflikten "Schutz" und "Geborgenheit" suchen, der sonst nirgendwo zu finden ist. Zudem sind Handwaffen nicht nur in großer Zahl überall und preiswert verfügbar, sondern inzwischen auch so leicht, daß sie von Kindern bedient werden können. Die Folgen der Einsätze sind schwere Traumatisierungen, innere und äußere Verletzungen und große persönliche Probleme bei der Demobilisierung und "Wiedereingliederung" während oder nach dem Ende der bewaffneten Feindseligkeiten.

Die Praxis, Kinder und Jugendliche zu Soldaten in Armeen und Rebellengruppen zu machen, muß nach Auffassung von amnesty international weltweit geächtet werden. Ehemaligen "Kindersoldaten" muß bei der "Wiedereingliederung" zum Beispiel durch psychosoziale Beratung und beruflicher Ausbildung geholfen werden.

amnesty international hat deshalb die Bundesregierung aufgefordert, während der am 22. März begonnenen Sitzung der Menschenrechtskommission die Initiative zu ergreifen, damit:


Volkmar Deile war bis Mai 1999 Generalsekretär der deutschen Sektion von amnesty international.


Quelle: ai-Journal - Das Magazin für die Menschenrechte von amnesty international - April 1999

amnesty international

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