Theaterstück "Drachen steigen"

Wenn Sie das Stück für Ihre Theatergruppe haben möchten (kostenlos), dann wenden Sie sich an Marlene Skala.

 Vorwort zum Stück
 Bilder
 Inhalt
 Literaturhinweise


Vorwort zum Stück

Ein Stück über Straßenkinder in Indien... Das klingt sofort nach Düsternis, Leid und Abgründen, die wir uns hier kaum vorstellen können. Von diesen Abgründen handelt unser Stück nur am Rande. Wir wollten kein düsteres Stück machen.

Es käme mir auch anmaßend vor, das Leben von Straßenkindern glaubwürdig und realistisch auf die Bühne bringen zu wollen - von hier aus ohne direkte Einblicke.

Ausgangspunkt war das Straßenkinderprojekt "Butterflies" in Delhi, das Schwerpunkt der MISEREOR-Fastenaktion 2001 war und hauptsächlich von MISEREOR unterstützt wird.

Mich beeindruckte der Grundgedanke: Die Straßenkinder sind an Selbstständigkeit gewöhnt. Ein geregeltes Leben in einem Heim halten sie oft nicht aus. Man könnte diese Millionen auch gar nicht in Heimen unterbringen. Also führen sie ihr gewohntes Leben, arbeiten als Müllsammler, Schuhputzer, Teeverkäufer und kommen, wenn sie es wirklich wollen, freiwillig zum Unterricht, der zu verschiedenen Tageszeiten - auch nachts - auf verschiedenen Plätzen der Stadt angeboten wird. Die Kinder, oft Einzelkämpfer, die von einem Tag auf den anderen leben, werden dazu angeregt sich zu organisieren, Projekte gemeinsam anzupacken - politisch zu handeln. So gibt es einen Straßenkinderrat, die regelmäßig erscheinende Wandzeitung der Straßenkinder, die auf Probleme aufmerksam macht. Es gibt eine Bank für Sparguthaben und eine Theatergruppe. Es gibt Feste und den jährlichen Drachenbauwettbewerb, an den dieses Stück anknüpft. Aber alles unter Regie der Kinder. Die Organisation springt nicht ein. Es geschieht nur das, was den Kindern wichtig ist, wofür sie sich und ihre Zeit einsetzen, manchmal auch ihr Geld, denn die Straßenkinder verdienen ja.

Die Streetworker von Butterflies sind teilweise selbst ehemalige Straßenkinder und versuchen die Kinder, die allen Erwachsenen mit großem Misstrauen begegnen, vorsichtig vom Mitmachen zu überzeugen. Viele springen wieder ab, aber die, die bleiben, haben eine reelle Chance.

Während sonst Berichte über Straßenkinder Entsetzen, Mitleid und Hilflosigkeit hervorrufen, ist hier einmal ein anderer Blick möglich: Diese Kinder kann man bewundern und man kann von ihnen lernen, auch von ihren Lehrern.

Der Schuhputzer Raja sagt im Stück: "Wir sind kein Dreck - und deshalb dürfen wir nicht immer nur im Dreck wühlen". In diesem Bewusstsein lassen sie ihre Drachen steigen. Wer einen Drachen steigen lässt, der richtet den Blick in den Himmel, statt vor sich auf den Boden. Der stellt sich vor, selbst da oben zu sein und vielleicht nicht mehr in den beengenden Verhältnissen am Erdboden. Aber man muss den Drachen beobachten und fest im Griff behalten, sonst wird er davongetragen. Wenn man ihm nur nachträumt und nicht rechtzeitig Schnur zugibt oder einzieht, stürzt er ab oder geht verloren.


Bilder

Bild 1 Der Mittelteil des Bühnenbildes zeigt das bunte Schilder-Chaos einer indischen Straße. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Bild 2 Die Schulkinder zerstreiten sich bei den Proben zu ihrem Theaterstück. Einige können ihre Texte nicht und - "Mit Chipsen im Mund kann man nicht sprechen!" (zum Vergrößern bitte anklicken)

Bild 3 Die Straßenkinder beim Unterricht auf dem Platz. Es geht um Müllpreise: "Die Preise für ganze Kilo könnte ihr euch merken, aber wie viel bekommt ihr für eineinhalb Kilo Papier?" Kann man bei diesem Verdienst Geld für ein Drachenfest erübrigen? (zum Vergrößern bitte anklicken)

Bild 4 Die Straßenkinder träumen, dass ihnen eine Drache aus gefährlichen Situationen hilft: Die Müllsammlerin Puli wird von ihrem Müllsack verschlungen und soll als Dreck weggekehrt werden, da greift der Drachen ein. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Bild 5 Kamala träumt von ihrem Leben voller Gewalt. Immer war sie die Kleinste und alle ließen ihre Wut an ihr aus... "In meinem Traum war ich die Größte und schlug auf alle ein." Der Drache hält sie davor zurück.
Die Kinder erkennen: "Wir sind kein Dreck, wir sind so viel wert wie andere Kinder auch. Und damit wir das nicht vergessen, dürfen wir nicht immer nur im Dreck wühlen! Wir machen das Drachenfest!" (zum Vergrößern bitte anklicken)

Bild 6 In der Vorstellung treffen sich die Schulkinder und Straßenkinder. Ihr gemeinsames Problem sind Eigeninitiative und Selbstständigkeit. Die Schulkinder wollen auf eigenen Füßen stehen. Der Schuhputzer Raja erklärt: "Wenn man zu früh auf eigenen Füßen stehen muss, dann zieht man sich zu kleine Schuhe an. Sie sind eng und drücken, man kommt nicht vom Fleck und man kriegt sie kaum wieder los, sie kleben fest!" (zum Vergrößern bitte anklicken)

Bild 7 Kamala träumt vom Lesen. Die Buchstaben werden lebendig und verspotten sie: "Lies doch! Zeig uns, dass du lesen kannst... Das heißt dumm, so wie du! Du bist dumm Kamala!" (zum Vergrößern bitte anklicken)

Bild 8 Aber Kamala kann aus den Buchstaben das Wort "MUT" formen. "Das heißt Mut! Mut heißt das!" (zum Vergrößern bitte anklicken)

Bild 9 Die Einstellungen der Schulkinder zu ihrem eigenen Theaterstück spiegeln sich mit den Einstellungen der Straßenkinder zum Drachenfest, zum Unterricht und zum politischen Handeln: "Wir schaffen es jetzt!" (zum Vergrößern bitte anklicken)


Inhalt

Szene 1:
Deutsche Schulkinder planen, ein Theaterstück über Straßenkinder einzustudieren - alleine ohne Lehrer. Sie haben Zweifel, ob sie das schaffen können.

Szene 2:
In Bombay wird der Straßenjunge und Müllsammler Pradip von Puli gestört, die die Wandzeitung der Straßenkinder aufhängt. Er erfährt von der Organisation Butterflies und von dem geplanten Drachenbau- Wettbewerb.

Szene 3:
Einige Straßenkinder versammeln sich auf dem Platz. Ein Polizist will sie verscheuchen, aber die Sozialarbeiter von Butterflies (Shanta und Uma) erklären ihm, dass hier Unterricht stattfindet. Die Straßenkinder erzählen von ihren Problemen mit der Polizei und sie hören, dass das Drachenfest Geld kosten soll. Sie sind skeptisch, ob sie sich das leisten wollen. Pradip hört neugierig zu.

Szene 4:
Pradip wird vom Müllhändler betrogen, kann aber leider nicht nachrechnen...

Szene 5:
Mit seinen Freunden spricht Pradip vor dem Einschlafen über Drachen und Drogen.

Szene 6:
Die deutschen Schulkinder zerstreiten sich, weil einige ihre Texte nicht lernen wollen: Ihnen ist anderes wichtiger. Das Theaterprojekt ist vorläufig gescheitert.

Szene 7:
Pradip trifft Kamala auf dem Platz. Sie sprechen über ihren Traum, einen Drachen zu bauen. Die Straßenkinder treffen sich auf dem Platz. Sie erklären, dass ihnen das Drachenfest zu teuer ist und verlangen, dass die Organisation es finanziert.
Shanta und Uma weisen die Straßenkinder auf ihre Selbstständigkeit und die Unabhängigkeit von Erwachsenen hin. Das Drachenfest scheint zunächst gescheitert.

Szene 8:
Die Müllsammlerinnen Puli und Kamala und der Schuhputzer Raja erzählen ihre Träume, in denen sie von Drachen aus großer Gefahr gerettet werden. Nun sind sie überzeugt, dass das Drachenfest stattfinden muss.

Szene 9:
Eine vorgestellte Begegnung zwischen den indischen Straßenkindern und den deutschen Schulkindern findet statt: Sie unterhalten sich über Selbstständigkeit.
Die deutschen Kinder beschließen, ihr Theaterprojekt doch noch durchzuziehen.

Szene 10:
Kamala hat ihren "Freundinnen" Kunthi und Rukmani Geld unterschlagen. Als auch noch auffliegt, dass sie zum Unterricht geht, wird sie von Kunthi, der Anführerin, weggeschickt.

Szene 11:
Kamala sucht einen Schlafplatz und hat einen Alptraum vom Lesen, in dem sie von Buchstaben verfolgt wird.

Szene 12:
Pradip wird überfallen, aber von seinem Freund Selvam gerettet. Auch er muss zugeben, dass er zum Unterricht geht und Geld für den Drachenbau-Wettbewerb braucht. Selvam möchte, dass Pradip die Chance ergreift, die er selbst vor einiger Zeit ausgeschlagen hat.

Szene 13:
Die Straßenkinder treffen sich mit den Sozialarbeiterinnen Shanta und Uma auf dem Platz. Sie erklären, dass sie das Fest wollen und warum. Als Kamala klagt, dass sie kein Geld hat und verstoßen wurde, erklären sich die anderen solidarisch mit ihr und legen für ihren Teilnehmerbeitrag zusammen. Daraufhin ist das Unterrichtsthema Politik.

Szene 14:
Deutsche Schulkinder und indische Straßenkinder "spiegeln" sich.


Literaturhinweise

Das Stück fußt inhaltlich hauptsächlich auf der sehr informativen Mappe von MISEREOR zu dem Projekt "Butterflies" in Delhi.
Weiter hat uns der empfehlenswerte Film "Salaam Bombay" von Mira Nair (1988) ein Bild vom Leben der Straßenkinder in Indien vermittelt.
Der Roman "Kinder im Dunkeln" von Júlio Emílio Braz (Zürich, 1999) war Vorbild für die Straßenkinder - "Familien".

Wer sich näher mit dem Thema befassen will, sei auf folgende Bücher verwiesen:

 Weitere Informationen zum Straßenkinderprojekt "Butterflies" in Bombay (Misereor)


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