Servir-Info 2004

Der Servir e.V. informiert

 Talente-Wucher - die Zweite
 Aids-Truck zu Gast an Maria Königin
 Ströpse erobern MK-Scheune
 Bischof Anselmo Müller zu Gast
 Neues aus den Projekten
 Rück- und Ausblick


Talente-Wucher - die Zweite

Innerhalb von zwei Monaten mit einem Betrag von 10 Euro möglichst erfolgreich wirtschaften: dieser Aufgabe stellten sich von Aschermittwoch bis Ende April zum zweiten Mal Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 bis 7.

Ausgangspunkt für diese Aktionsidee ist das bekannte biblische Gleichnis von den Talenten. Jesus erzählt darin von einem reichen Mann, der seinen Dienern eine bestimmte Geldsumme in der damaligen Währung Talente übergibt und sie damit wirtschaften lässt.

Wie die Diener im biblischen Gleichnis, so sollten auch die Schülerinnen und Schüler von Maria Königin mit ihren Talenten wuchern. Talente waren dabei natürlich im doppelten Sinne gemeint. Jeder Schüler hatte die Möglichkeit, sich vom Servir e.V. 10 Euro auszahlen zu lassen und dieses Geld mit seinen Fähigkeiten zu vermehren. Im Rahmen eines Gottesdienstes zum Beginn der Fastenzeit startete die Aktion.

145 Schüler legten mit vielen Ideen und großem Engagement los. Sie bastelten mit Holz, malten mit Window-Colour, gossen Kerzen und stellten Lichterketten her. Andere nutzten Veranstaltungen, um Waffeln, Getränke, Pizza, Süßigkeiten oder Brote zu verkaufen und wieder andere wuschen Autos oder starteten originelle Sammelaktionen. Die Verwandtschaft, Nachbarn, Vereine, die eigene Klasse, Freunde und Kirchengemeinden wurden als Kunden für die Produkte gewonnen.

Das Ergebnis überraschte selbst die hartnäckigsten Optimisten. Insgesamt kam ein Erlös von fast 7.000 Euro zusammen. Damit gelang es den Schülerinnen und Schülern, mit ihren Talenten die erhaltene Summe zu verfünffachen, im Schnitt also aus den 10 Euro stolze 50 Euro zu machen. Im Vergleich zur gleichen Aktion vor drei Jahren konnte das Gesamtergebnis verdoppelt werden. Toll, kann man da nur sagen!

Besonders hervorheben möchten wir an dieser Stelle die erfolgreichsten Schüler: Lars von Kolzenberg, Lukas Reichling und Daniel Opitz. Sie erzielten jeweils einen Erlös von mehr als 300 Euro.

Bild 1 Bild vergrößern Viele Talente auf einmal, Danke Euch allen!

Aids-Truck zu Gast an Maria Königin

Aids in Afrika - schon zum zweiten Mal macht der Servir e.V. auf diese Tragödie aufmerksam. Im Oktober 2002 hatten uns die Masithi Singers, besucht, in diesem Jahr war der Missio Aids-Truck eingeladen.

Dabei handelte es sich um einen 18 Meter langen Großraum-Truck des Hilfswerks Missio mit einer Multimedia-Ausstellung zum Thema Aids, der von Mitte Juni 2004 bis zum Sommer 2005 vornehmlich an Schulen und Jugendzentren in ganz Deutschland unterwegs sein wird. Schülerinnen und Schüler konnten sich in der multimedial und erlebnisorientiert gestalteten Ausstellung, durch einen eindringlichen Film und in Gesprächen mit einer Südafrikanerin über den Umgang mit der Immunschwäche Krankheit und ihren Folgen informieren.

"Das war beeindruckend und bedrückend", erklärt Benedikt, und Theresa ergänzt: "Die Situation in Afrika wurde einem wirklich nahegebracht. Als der Junge erzählt hat, er ginge öfter auf Friedhöfe um Freunde zu beerdigen als auf Partys, ist mir ein Schauer den Rücken heruntergelaufen".

Besonders erschreckend war für alle die hohe Zahl der betroffenen Kinder. 2,2 Millionen Kinder unter 15 Jahren sind in Schwarzafrika HIV-infiziert oder an Aids erkrankt. Über zehn Millionen afrikanischer Kinder sind Aids-Waisen.

Am Beispiel zweier Jugendlicher erhielten die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung Einblicke in die Lebenswelt junger Afrikaner. Der 17-jährige Charles aus Südafrika und Kajunga, ein 15-jähriges Mädchen aus Uganda, erzählten ihre Lebensgeschichten.

Die afrikanische Wirklichkeit wurde im Aids-Truck erfahrbar, zum Beispiel auf einem afrikanischen Markt, in einem südafrikanischen Shack oder in einer Gesundheitsstation. Die Ausstellungsbesucher erfuhren viel über Hilfsprojekte von katholischen Organisationen, Präventionsarbeit und die Begleitung von Aids-Kranken und ihren Angehörigen. Sie wurden herausgefordert, sich mit Fragen der eigenen Sexualität und des persönlichen Schutzes vor Aids auseinander zu setzen. Gleichzeitig wurden Möglichkeiten aufgezeigt, sich solidarisch gegenüber Aids-Kranken und gefährdeten Kindern und Jugendlichen zu zeigen. Viele Schüler nutzten die Möglichkeit, sich an Solidaritäts- und Unterschriftenaktionen zu beteiligen. "Dafür werde ich mich auch weiter engagieren, nicht nur mit der roten Schleife", erklärt z.B. Susanne.


Ströpse erobern MK-Scheune

Der 7. Juli war für die Grundschüler der dritten Klasse aus Neulisternohl ein ganz besonderer Tag. Anstatt die Schulbank zu drücken, fuhren sie im Linienbus mit ihrer Klassenlehrerin, Frau Findeis, und einer begleitenden Mutter nach Lennestadt. Ohne große Mühe trugen sie ihre mit Getränkeflaschen und Butterbroten gefüllten Rucksäcke von Altenhundem hinauf zum Gymnasium Maria Königin. Kein guter Tag für die Wilderdbeeren am Wegesrand. Natürlich wussten die kleinen Racker nicht, dass die Grünflächen im Schulgelände für Schüler tabu sind und belegten gleich das erstbeste Stück frisch gemähten Rasens, um ihre wohlverdiente Frühstückspause einzulegen. Einige erkundeten stattdessen schon einmal neugierig das Schulgebäude.

Dann endlich war es so weit. Die Schüler hatten sich im Unterricht gut vorbereitet und so sprudelten die Fragen nur so aus ihnen heraus: Kann Aluminium schwimmen, woraus ist Aluminium, hält Alu warm, brennt Alu gut, kann man Alu essen, ist Alu schwer, wenn man 50 Gramm hochhebt? Aber auch schwierigere Fragen forderten den auf ein leichtes Spiel eingestellten Lehrköper heraus: "Was würden wir ohne Alu machen, wieso heißt Alu Alu, bei wie viel Grad schmilzt Alu, wo kommt das neue Alu her?"

Bild 2 Bild vergrößern "Das hat uns echt Spaß gemacht!"

Was dann kam, querblätternd zusammengefasst aus den Aufsätzen, die die Schülerinnen und Schüler an einem der folgenden Tage schrieben, liest sich wie folgt:

"Bald darauf kam ein netter Lehrer vom Kloster Maria Königin und hat uns in die Scheune geführt. Dort war so viel Aluminium, dass wir es nicht mehr zählen konnten. In der großen Scheune waren vier Tische mit Aluminiumbergen. Auf einem Tisch stapelten sich Teelichter mit Wachs und Dochthaltern und die müssen raus. Eins, zwei, drei stürzten wir uns auf sie und knibbelten die Dochthalter und das Wachs aus den Behältern. Das hat uns echt Spaß gemacht. An einer Wand waren ganz viele ganz große Vierecke, die waren ungefähr 35 kg schwer. Zum Schluss haben wir ein Klassenfoto gemacht. Frau Findeis musste sich auf einen Topf stellen, damit sie als Lehrerin auffiel".

Im Anschluss an den Besuch der Scheune ging es in die Schule, wo die Kinder einen Film über das Servir-Projekt zu sehen bekamen.

Der Physiksaal muss seine Freude gehabt haben, als 22 quirlige Ströpse in seiner erwürdigen Holzbestuhlung Platz nahmen und 30 Minuten aufmerksam auf die Leinwand starrten. Sie erfuhren in dieser Zeit von Kindern, die zwar ihr Alter hatten, aber deren Lebensverhältnisse doch so ganz unverdient anders waren.

Für Fragen blieb leider keine Zeit mehr. Busse warten nicht, und so plötzlich wie sie die Schule für zwei Stunden bereichert hatten, waren sie auch wieder weg.


Bischof Anselmo Müller zu Gast

"War das wirklich ein Bischof?" Wieder einmal waren die Schülerinnen und Schüler der fünften und sechsten Klassen überrascht, als sie im September Bischof Anselmo Müller MSF aus Brasilien erlebten. Der deutschstämmige Bischof Anselmo, dessen Vorfahren im 19. Jahrhundert aus dem Hunsrück nach Brasilien auswanderten, berichtete über Brasilien, seine Arbeit als Bischof und vor allem über die Situation der Straßenkinder in Januária und anderen Städten Brasiliens.

Bild 3 Bild vergrößern Unterricht beim Bischof, voll cool

Mit seiner unkomplizierten Art und seinem Hunsrück-Dialekt konnte er die Schüler schnell für sich begeistern.

"Bischof Anselmo konnte zwar nicht gut Deutsch, so dass ich nicht alles verstanden habe, aber er hat Ahnung von Fußball", fasst Frederic aus der Klasse 6a seine Eindrücke zusammen. Natürlich hat der Bischof nicht nur vom Fußball gesprochen. Er, der über die Hälfte eines jeden Jahres mit seinem Geländewagen auf Missionsfahrten durch seine großflächige Diözese unterwegs ist, weiß viel und authentisch über die Situation der armen Bevölkerung auf dem Lande zu erzählen. Schnell wurde den Schülern klar, wie gut es ihnen eigentlich geht, und dass regelmäßiger Schulbesuch, von ihnen manchmal als Last empfunden, alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.

Besonders wichtig war es dem Bischof, den Schülern für den engagierten Einsatz im Rahmen der Aktion "Talente-Wucher" zu danken. Das Geld komme direkt den Kindern und Jugendlichen im Projekt Servir zugute, versprach er und ermunterte die Schüler noch einmal eindringlich, ihr Engagement für eine gerechtere Welt fortzusetzen.


Neues aus den Projekten

Servir: Nach langen Zögern hat man auf wiederholtes Drängen des Bischofs damit begonnen, den Gemüsegarten, der zeitweilig vernachlässigt worden war, wieder zu rekultivieren. Der Leiter des Lateinamerika-Zentrums in Bonn war im Sommer vor Ort zu Besuch und hat inzwischen einen Nachfolgeantrag zur weiteren Unterstützung bei der Europäischen Kommission eingereicht. Wenn alles gut geht, werden die Ausbildungsprogramme in EDV, Kunsthandwerk, Bäckerei und KFZ- Mechanik für drei Jahre weitergeführt.

Radio Servir FM ist aus dem Alltag von Januária nicht mehr wegzudenken. Auf der Frequenz 104,9 MHz sendet es den ganzen Tag über und sichert mit seinen Einnahmen aus der Werbung den Lebensunterhalt von mehreren Redakteuren, die alle im Servir groß geworden sind. Was darüber hinaus übrig bleibt, steht dem Projekt zur Verfügung.

Icarai de Minas: Icarai de Minas ist wie die Fazenda Picos eine weitere Neusiedlung, ca. 100 km von Januária entfernt. Wie in jeder größeren Gemeinde hat hier der Bischof für die Pastoral da Criança (Kinder-Pastoral) in diesem Jahr ein Haus gebaut. In diesen einfachen Steinhäusern wird vor allem Gesundheitsvorsorge betrieben. Über die von ihm bezahlten Helfer dieser Einrichtungen ist der Bischof stets hautnah mit den konkreten Sorgen der Ärmsten in seiner Diözese konfrontiert. Für das nächste Jahr ist der Bau einer kleinen Apotheke mit Natur-Heilprodukten geplant.

Manga: Die Zweigstelle des "Pequeno Davi" in Manga ist inzwischen fast fertiggestellt. Es fehlt noch die Einrichtung der Küche. Dieser "Kleine David", eine Säuglings-Rettungsstation für extrem unterernährte Kleinkinder, ist in guten Händen. Die Verantwortliche für dieses Projekt ist Schwester Angelina Boff, eine Nichte des bekannten Theologen Leonardo Boff, der in Rio de Janeiro verschiedene Projekte für die Armen unterhält und ihr, wo immer er kann, mit Rat und Tat beiseite steht.

Fazenda Picos: Fazenda Picos ist inzwischen gerichtlich den Landlosen zugesprochen worden. Jede der über 250 Familien hat ein Grundstück mit der Fläche von 45-55 ha bekommen und vom Staat einen Kredit von ca. 1.000 Euro für den Hausbau, den sie innerhalb von 15 Jahren zurückzahlen muss. Der neu errichtete Ort schlängelt sich entlang eines kleinen Flusses in bergigem Gelände. Aufgrund seiner Ausdehnung auf 25 km Länge wurde die Fazenda Picos in drei Gemeinden eingeteilt. Der Bischof hat in Zusammenarbeit mit der "Bewegung der Landlosen" alle Hände voll zu tun, um die Infrastruktur dieser Neusiedlung zu verbessern. Eine Schule und zwei Gemeindehäuser sind inzwischen eingerichtet worden. Eine Maniokmühle für alle erleichtert den Kleinbauern die mühselige Verarbeitung ihres Hauptprodukts.

Die Wasserversorgung auf der einen Seite des Flusses funktioniert bereits, im nächsten Jahr steht die andere Seite an. Für die weiter abgelegenen Häuser, die noch nicht an das Wassernetz angeschlossen sind, hat Bischof Anselmo Müller ein Tankauto mit 2.000 Litern besorgt. Außerdem wurden für die Gemeinschaft mehrere Traktoren zur Landbearbeitung angeschafft.

Bild 4 Bild vergrößern Ein einfaches Wasserrad betreibt die Pumpe zur Wasserversorgung

Rück- und Ausblick

Dieses Jahr war ein erfolgreiches Jahr. Neben kleinen und großen Spenden, die nach wie vor den Großteil unseres Aufkommens darstellen, waren es auch wieder zu einem nicht unerheblichen Teil die vielfältigen Aktivitäten der Schüler, die dazu beigetragen haben, dass der Bischof mit 28.000 Euro "im Koffer" nach Brasilien zurück fliegen konnte. Zu diesen Aktivitäten gehören der Eine-Welt-Laden, der Getränke- und Kuchenverkauf an der Schule, Oberstufen-Feten, die Aktion "Talente-Wucher", aber auch erneut die Aktion "ALU" - Aus Liebe zur Umwelt. Immerhin wurden Mitte des Jahres wieder 2.600 kg Aluminium ausgeliefert.

All denen, die zu diesem finanziellen Erfolg beigetragen haben, sei herzlicher Dank. Unser besonderer Dank gilt natürlich wie immer dem Missionskreis Würdinghausen, der nicht müde wird, jedes Jahr erneut einen Advents-Basar zu veranstalten. An dieser Stelle hervorgehoben werden sollte aber auch einmal der Dritte-Welt-Arbeitskreis Welschen-Ennest-Rahrbach. So lange der Bischof zu uns Kontakt hat, unterstützen sie ihn mit eigenen Aktivitäten. So wurden alleine in diesem Jahr 3.700 Euro nach Januária überwiesen oder dem Bischof in bar mitgegeben.

Nächstes Jahr feiern wir 20 Jahre Servir an unserer Schule. Wir hoffen, dass dieses Jubiläum allen Auftrieb gibt, sich verstärkt für das Projekt zu engagieren. Im Rahmen dieses Jubiläums fährt voraussichtlich erneut eine Gruppe Schüler unseres Gymnasiums für 4 Wochen nach Januária. Sie werden sicher viel zu berichten haben.

Die drei Dokumentarfilme der Gruppe, die 2000 in Brasilien war, liegen inzwischen in einer sehenswerten Sammel-DVD vor. Hier kann man sich über die Situation in Januária, im gleichnamigen Bistum aber auch über das Leben in den Favelas von Rio de Janeiro informieren. Die DVD kann kostenlos im Sekretariat ausgeliehen werden.


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