Servir-Info 1996

Informationen der Arbeitsgruppe SERVIR


Liebe Freunde und Förderer des AK Servir,

das Jahr 11 unseres Projektes war ein außerordentlich ruhiges Jahr, keine Katastrophenmeldung, keine Brasilienfahrt, einfach nur Alltagsroutine. Und doch, gerade sie ist es, die uns zu verläßlichen Partnern der Kindertagesstätte Servir macht.

Der vorweihnachtliche Kartenverkauf wiederholt sich zum zehnten Mal. Über 60.000 Karten wurden seit Beginn der Aktion von nimmermüden Schülern insbesondere der jüngeren Jahrgänge in die Gemeinden gebracht. Fast 40.000,00 DM Erlös ist der Lohn für diese Fleißarbeit, die schon mit dem Zeichnen der Entwürfe im Kunstunterricht oder zu Hause beginnt. Nicht jeder Entwurf konnte genommen werden, aber jeder Schüler, der mitgemacht hat, kann und soll das Gefühl haben, daß er zum Erfolg beigetragen hat.

Der Dritte-Welt-Laden boomt. Vor einem Jahr wurde damit begonnen, den Sextanern für den Einstieg ins harte Schulleben Komplettsets Hefte anzubieten, mit dem Erfolg, daß sie sich auch in der Quinta ein solches Angebot wünschten. Wenn diese Entwicklung in den nächsten Jahren bis zur Klasse 10 so weitergeht, kann man getrost in die Zukunft schauen. Weniger erfolgreich ist der Dritte-Welt- Laden beim Umsatz von Gütern, die tatsächlich aus der Dritten Welt kommen. Hier bleibt zu hoffen, daß sich die Erkenntnis irgendwann doch einmal durchsetzt, daß nur die Dritte-Welt-Läden es uns ermöglichen, statt Almosen zu geben, die Kleinbauern in Brasilien, Kolumbien oder wo auch immer fair für ihr Produkt zu bezahlen. Die gleichen Artikel aus denselben Ländern, wenn man mal von den Transfair Produkten absieht, kann man zwar auch von den Supermarktketten und Großröstereien beziehen; nur, was dabei für den erzeugenden Kleinbauern abfällt, bestimmt der gnadenlose Weltmarktpreis. Er macht es notwendig, daß eine ganze Familie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten muß, nur um zu überleben. Wir kaufen billig ein zu Lasten dieser wehrlosen Menschen! Wir haben die Stirn, nur nach dem Geschmack und dem Preis zu fragen.

Auch das Projekt ALU ist, vielen Unkenrufen zum Trotz, nicht totzukriegen. Im Gegenteil, der Kauf einer gebrauchten Ballenpresse im Frühjahr signalisiert, daß an ein Ende des Projekts nicht gedacht wird. Vorbei sind die Zeiten, in denen das sortierte Aluminium Sack für Sack quer durch das Schulgelände in den Alukeller getragen wurde. Auch die Ketten von fast dreißig Schülern, die am Tage der Auslieferung den Container mit einem nicht abreißenden Strom von Säcken beluden, wird es nicht mehr geben. Sack füllen, Sack leeren, zuknoten, aufknoten - all das hat ein Ende. Ein leises Heulen verrät, die Presse komprimiert gerade einen 240 l Sack Aluminium mit der Gewichtskraft von fünf Kleinwagen auf ein Zehntel seines Volumens. Zwischen drei und vier große Müllsäcke schrumpfen auf die Größe eines handlichen Pakets, das in Stapeln mit einer Sackkarre auf den LKW gefahren werden kann.

Kuchenverkauf, Getränkeverkauf, Forumsfrühschoppen, Weihnachtsingen der Jahrgangsstufe 13, Informationsveranstaltungen in der Schule und in den Gemeinden, all das rundet die Liste derjenigen Aktivitäten ab, die eingangs als Alltagsroutine genannt wurden. Sie ist der Kern unserer Arbeit für Servir.


Aber auch in Brasilien hat sich in diesem Jahr viel getan. Im Servir hat die von uns gestiftete Bäckerei voll ihren Dienst aufgenommen. Die älteren Kinder helfen beim Backen der täglichen Brötchen für die über 250 hungrigen Mäuler. In diesem Jahr wurde ein kleiner Laden direkt am Eingangstor vom Servir errichtet, in dem die Brötchen an Arme für ein kleines Entgelt abgegeben werden.

Bild 1 Die neu eingerichtete Bäckerei im Servir

Bei der Ausschreibung für ein Projekt eines staatlichen Bildungsförderungsprogramms wurde Servir als eine von drei Einrichtungen im Bundesstaat Minais Gerais ausgewählt. Das ist bemerkenswert, weil Minais Gerais immerhin fast doppelt so groß ist wie das wiedervereinigte Deutschland. Im Rahmen dieses Projekts werden in den Räumlichkeiten von Servir Kurse für Autoelektrik, Nähen, Musik, Kunsthandwerk, Informatik und Backen eingerichtet und vom Staat finanziell gefördert. Adressat für diese Förderungsmaßnahme sind ca. 400 bedürftige Schüler aus den Armenvierteln Januarias und seiner Umgebung.

Auch Quebra Guiada, das kleine Fischerdorf am Rio Sao Francisco, in dem eine Gruppe des AK Servir letztes Jahr 14 Tage lang beim Bau einer Gemeinschaftshalle half, ist im Aufwind. Dank unserer Spende von 10.000,00 DM im Mai dieses Jahres konnte eine kleine mobile Bewässerungsanlage angeschafft werden, die die Kleinbauern etwas unabhängiger von den sehr unregelmäßigen Regenfällen macht. Die erste Ernte dürfte inzwischen schon eingefahren sein.

Bild 2 Wasser in Quebra Guiada, ein wertvolles Gut


Worte können nicht beschreiben, was diese nüchtern aufgezählten Entwicklungen für diejenigen bedeuten, die sie betreffen; kein sicherer Weg aus der Armut, aber es sind Weichen, die ohne unsere Hilfe nicht gestellt worden wären. Uns, das sind die Mitglieder des AK Servir und all diejenigen in der Schulgemeinschaft von Maria Königin, die dem Projekt aufgeschlossen gegenüberstehen und es gelegentlich durch Spenden tatkräftig unterstützen.

Unter diesem Gesichtspunkt war auch 1996 ein sehr erfolgreiches Jahr. Über 40.000,00 DM konnten nach Januaria überwiesen werden. Der größte Teil davon entfällt auf Spenden, doch ein stetig steigender Anteil, in diesem Jahr fast 15.000,00 DM, wurde durch Eigenaktivitäten des AK Servir erwirtschaftet. Vielen Dank allen, die in irgendeiner Weise zu diesem erfreulichen Ergebnis beigetragen haben. Erfreulich und dankenswert ist auch, daß sich in der Jahrgangsstufe 9 fast 50 neue Mitglieder für den AK Servir gemeldet haben. Sie sind der Garant dafür, daß Servir der Schulgemeinschaft erhalten bleibt und sich ständig mit neuem Leben füllt.


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