Servir-Info 1995

Informationen der Arbeitsgruppe SERVIR


Liebe Freunde und Förderer des AK Servir,

"Der Mensch ist auch Tier !
Schützt das brasilianische Kind !"

Dieser Aufruf stand im August 1993 als doppelseitige Anzeige in einem brasilianischen Nachrichtenmagazin. Er spricht für sich. Kurz zuvor war eine Gruppe von Straßenkindern, die im Schutz einer Kirche ihr Nachtquartier aus Pappkartons aufgeschlagen hatten, von Polizisten im Sondereinsatz brutal erschossen worden.

Der Appell richtet sich keineswegs gegen die Tierfreunde, die sich weltweit für den Erhalt von Arten einsetzen; sondern er ist ein verzweifelter Hilfeschrei aus einem Land, wo das Töten von Straßenkindern auch heute noch eine honorige Aufgabe von "Kammerjägern" ist, wo jedoch zeitgleich mit großem Aufwand für den Erhalt der Tierwelt, z.B. in Amazonien, geworben wird.

Unser diesjähriger Besuch in Brasilien zeigte, daß auch das Jahr 10 unseres Projektes ein x-beliebiges Jahr in einer Welt der Gewalt ist. Wir erlebten an eigenem Leibe, nur getrennt durch eine Mauer, was man fühlt, wenn das Feuer von Maschinenpistolen den sicheren Tod von Menschen ankündigt. Wir konnten nicht wegsehen, als ein Polizeiwagen unseren Bus schnitt, Polizisten heraussprangen und einem vielleicht 15jährigen, ärmlich bekleideten Jungen die Pistole an den Kopf hielten.


Aber genug davon. Sie möchten sicherlich wissen, wie es um unser Projekt steht, wie es weitergeht. Und hier gibt es in der Tat Erfreuliches zu berichten. Im Vergleich zu unserem ersten Besuch vor 4 Jahren hat sich einiges getan. Der Innenhof zwischen den zwei parallel laufenden Gebäudetrakten ist zwischenzeitlich weitgehend überdacht worden. Hier können die Kinder, geschützt vor Regen, vor allem aber auch vor der gleißenden Sonne, spielen und für Stunden den Alltag vergessen. Auch der Eingang zum " Servir " ist neu gestaltet worden. Seit einem Jahr hat Servir einen eigenen Brunnen, mit dessen Hilfe der großflächige Garten bewässert werden kann.

Bild 1 Kinder von Servir beim Mittagessen

Doch nicht nur bauliche Maßnahmen fallen auf. Seit Beginn dieses Jahres hat Servir mit Hilfe unserer Spendengelder einen fest angestellten Direktor, der sich für ca. 250,00DM monatlich um die Organisation der Einrichtung kümmert. Bis dahin war diese Tätigkeit ehrenamtlich, allenfalls sporadisch von der Stadt bezahlt. Nur die selbstlose Hilfe von Ordensschwestern und freiwilligen Helfern hat Servir bis dahin überleben lassen.

Bei unserem Besuch war Servir ein Garten Eden. Unsere langjährige Hilfe zeigt sich am spürbaren und jetzt an allen Ecken erkennbaren Fortschritt. Inzwischen ist auf dem Gelände des Projekts sogar eine kleine Bäckerei im Bau, die in Zukunft die 350 hungrigen Mäuler stopfen soll.

Der von uns seit zwei Jahren von Beginn an unterstützte "Pequeno Davi" hat sich zwischenzeitlich ebenfalls voll etabliert. Der "Kleine David " ist ein eher unscheinbares Gebäude, das eine Säuglingsstation der besonderen Art beherbergt. Hier werden ausschließlich akut unterernährte Säuglinge und Kinder bis zu drei Jahren aus ihrem lebensbedrohlichen Zustand heraus "aufgepäppelt" und nach Wochen gesund an ihre Eltern zurückgegeben. Ohne begleitende Maßnahmen im Elternhaus machte diese Hilfe jedoch wenig Sinn. So erfahren die Eltern parallel zur Behandlung ihrer Kinder viel über richtige Ernährung und Hygiene. Wo es durch das übergroße Elend notwendig ist, helfen die Schwestern auch nach der Entlassung des Kindes weiterhin mit Nahrungsmitteln aus.

Bild 2 Baustelle der Casa da Farinha in Quebra Guiada

Während sich die Mädchen unserer Gruppe 14 Tage lang in beiden Projekten nützlich machten, legten die Jungen Hand an beim Bau einer Casa da Farinha auf dem Lande. Hier in Quebra Guiada, einem Dorf ca. 50km von Januaria entfernt, gibt es keinen Kontrast mehr zwischen arm und reich. Hier gibt es nur noch arm, unvorstellbares Elend. Das einzige Einkommen der ständig vergeblich auf Regen wartenden Bauern besteht in den Renten der Alten. 350 Menschen teilen sich die monatlichen Renten der acht Glücklichen, die - einem brasilianischen Gesetz sei Dank - mit 65 zum ersten Mal in ihrem Leben ein "Gehalt " bekommen. 8x150,00DM , das sind 3,43 DM pro Kopf und Monat. Die Bauern haben keine Chance, der Armut zu entfliehen. Dabei ist das Land fruchtbar, nur das Wasser fehlt. Wir haben den Bischof gebeten, in enger Zusammenarbeit mit der "Nationalen Schule für Landwirtschaft" zu überlegen, ob eine Bewässerungsanlage dort sinnvoll eingesetzt werden kann. Sollte die Antwort positiv ausfallen, so möchten wir uns daran beteiligen. Nur so kämen die Bauern in die Lage, über den eigenen Bedarf hinaus regelmäßig Lebensmittel zu erzeugen, die sie auf dem Markt verkaufen könnten. Auf diese Weise würde verhindert, daß die Jugendlichen nicht doch eines Tages ihr Dorf verlassen müssen, um in den Favelas der Großstädte mit großer Sicherheit noch größeres Elend zu stürzen.


Zum Schluß des diesjährigen Informationsbriefes möchten wir schon jetzt darauf hinweisen, daß die Gruppe , die in Brasilien war, voraussichtlich Anfang Februar einen ausführlichen Informationsabend mit Film und Dias veranstalten wird. Wir danken an dieser Stelle allen, die auch in diesem Jahr mit Spenden oder auf andere Weise zum Erfolg der gemeinsamen Sache beigetragen haben. Immerhin sind inzwischen fast 420.000,00DM nach Januaria überwiesen worden. Eine großartige Hilfe, deren Wert man insgesamt dann erst recht einschätzen kann, wenn man vor Ort sieht, was daraus entstanden ist.


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