Servir-Info 1992

Informationen der Arbeitsgruppe SERVIR


Liebe Freunde des AK Servir,

wir freuen uns, Ihnen auch am Ende dieses Jahres nicht nur negatives aus Januaria berichten zu können. Dabei fing das Jahr mit einer Überschwemmungskatastrophe an und es sah zeitweilig so aus, daß Servir geschlossen werden sollte. Aufgrund der Überschwemmungskatastrophe wurden in der Zeit vom 30. Januar bis 9. März 20 Familien im Servir untergebracht. Gleichzeitig war es zentrale Essensausgabestelle für über 1.500 Essen täglich. Unsere Hilfe kam gerade rechtzeitig. In der "Quinta" einem Armenviertel in unmittelbarer Nachbarschaft des Projekts fielen zahlreiche Häuser dem Wasser zum Opfer. Von den Spendengeldern der Frühjahrsaktion wurde vornehmlich Baumaterial besorgt und den Flutgeschädigten zur Verfügung gestellt. Da nur an den Wochenenden gebaut werden kann, geht der Aufbau jedoch sehr langsam voran. Die meisten Häuser stehen noch im Rohbau. An den Einbau von Türen und Fenstern, oder sogar Verputz und Anstrich ist vorerst noch gar nicht zu denken. Häuserbau für die Armen ist nach Worten von Pater Muer ohnehin ein Faß ohne Boden. Fast täglich bitten mittellose Familien um Material.

Die "Ilha do Amargoso" eine große Insel im Fluß des Rio São Francisco, wurde bei der Hochwasserkatastrophe total überschwemmt. Den 65 Familien blieb nur die Flucht. Da die Fluten die meisten Häuser dem Erdboden gleich machten, wurde auch hier das Baumaterial für den Neubeginn gestellt. Die Patres von der Heiligen Familie bauten zusätzlich zusammen mit anderen Helfern einen kleinen Kindergarten und installierten einen Brunnen mit Motorpumpe. Als Startkapital bekamen alle Familien zusammen 100 Sack Bohnen und Mais mit der Auflage, daß 10% der Ernte für andere Bedürftige zur Verfügung gestellt werden.


Die Lage im Servir hat sich inzwischen wieder normalisiert. Von einer Krise ist keine Rede mehr. Die Anzahl der Kinder hat sich wieder auf 350 erhöht. Ein neuer Aufenthaltsraum erweitert die Spielmöglichkeiten der Kinder insbesondere bei schlechtem Wetter. Die neue Schneiderei konnte durch eine kräftige Beihilfe aus Holland ausgebaut werden. Interessierte Mädchen aus dem Servir lernen unter Anleitung einer Fachkraft jetzt Zuschneiden und Nähen.

Bild 1 Eine Gruppe Schüler vor dem überdachten neuen Aufenthaltsraum

Januaria hat einen neuen Bürgermeister. Seine Vorgängerin wurde wegen Korruption entlassen. Was sich wie eine Randnotiz ließt, hat einschneidende Folgen für das Projekt. Stand die alte Bürgermeisterin Servir sehr reserviert gegenüber, so hat der neue es in sein Herz geschlossen. Sofort stellte er mehrere Lehrerinnen und Hilfskräfte ein, die auch von der Stadt finanziert werden. Auch die Kommunalwahlen im Oktober warfen helle Schatten voraus. Wie immer sind die Vertreter des Volkes in einer solchen Zeit sehr rührig. Kämpft man hierzulande manchmal noch mit Argumenten um Wählerstimmen, zählt in Brasilien nur das Wahlgeschenk. Wen interessiert es schon, wenn die Geschenke aus der Stadtkasse, letztlich also vom Steuerzahler selbst stammen. Servir wurde dieses Mal mit einem Sportplatz bedacht; kleiner brasilianischer Mangel, er wurde nur halb fertig. Vielleicht aber ist das gerade der kleine, nicht zu übersehende Ansporn, den Kandidaten auch zu wählen. Pater Muer macht sich sicherlich zu Recht Sorgen um die andere Hälfte. Ein Abgeordneter stiftete sogar, wer es fassen kann, der fasse es, einen ganzen VW Transporter. Er wird Servir großen Nutzen bringen.


Die wichtigste Neuerung in diesem Jahr ist jedoch ohne Zweifel die Installation einer Bewässerungsanlage über das benachbarte "Caio Martins". Jetzt kann das große landwirtschaftliche Terrain der Kindertagesstätte optimal genutzt werden. Waren wir bei unserem Besuch im letzten Jahr noch Zeuge der großen ausgedorrten Felder, sind sie jetzt voll mit Bohnen und Früchten jeder Art. Mindestens zwei Ernten können jedes Jahr eingefahren werden. Ein wichtiger Nebeneffekt sollte nicht unerwähnt bleiben. Viele der älteren Kinder des Projekts werden jetzt nicht nur versorgt und betreut, sondern sind große Teile des Tages auf dem Feld beschäftigt. Sie helfen auf diese Weise, das Projekt am Leben zu erhalten und erfahren sich selbst zum ersten Mal in ihrem Leben als etwas nützliches.

Ein Blick noch auf die Entwicklung von "Caio Martins". Auch hier läßt die neu installierte Bewässerungsanlage die Hände der Internatsschüler nicht mehr zur Ruhe kommen. Belohnt wurde ihr Fleiß mit einer ersten Ernte im Sommer, die nach Aussage von Bischof Anselmo Müller, der uns im Herbst besuchte, immerhin 200 Säcke Mais einbrachte. Dank einer größeren Spende unseres Gymnasiums baut Geraldo, der Chef von "Caio Martins" mit seinen Schülern im Moment gerade eine kleine Hühnerfarm. Sie wird helfen, dem Ziel der Selbstversorgung des Projekts ein wenig näher zu kommen. Überhaupt hat der Bischof mit "Caio Martins" großes vor. So erwarb er dieses Jahr im Anschluß an das Gelände 25 ha Land, um dort u.a. eine Aufbauschule zu errichten. Die begabteren Schüler von "Caio Martins" können hier in wenigen Jahren den "Secundo Grão" erwerben, einen Abschluß, der unserem Abitur entspricht. Bisher mußten sie für dieses Ziel in eine der größeren Städte des Landes ziehen und kehrten in der Regel nie wieder zurück! Gerade aber auf ihre Hilfe ist man bei der Entwicklung der Region, in der kaum einer schreiben und lesen kann, dringend angewiesen.

Servir und "Caio Martins" sind, wie man unschwer den Zeilen entnehmen kann, in permanentem Aufbau und stehen zur Zeit in voller Blüte. Den Kindern, die dort aufgenommen sind, geht es, nicht zuletzt durch unsere Hilfe, vergleichsweise gut.


Dieses Jahr war auch bei uns ein besonders erfolgreiches Jahr. So kamen alleine durch den Verkauf von Kuchen etwa 2.700,00 DM, durch den Verkauf von Weihnachtskarten ca. 4.000,00 DM, durch das Sammeln und Sortieren von Aluminium 7.900,00 DM ein. Der größte Teil der insgesamt 64.000,00 DM, die wir dieses Jahr nach Brasilien überweisen konnten, sind jedoch wie jedes Jahr auf Spendengelder zurückzuführen; 21.000,00 DM davon allein auf die Spendenaktion für die Überschwemmungsopfer im Januar.

Der AK Servir möchte sich von dieser Stelle aus bei allen, die sich im letzten Jahr innerhalb und außerhalb der Schule für unsere gemeinsame Sache eingesetzt haben, auf das herzlichste bedanken.


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