Pressespiegel

Der erste Eindruck täuschte: "So harmlos" war es nicht

"Das sieht ja alles noch recht normal aus!" Das ist der erste Gedanke, der mir durch den Kopf geht, während sich die Flughafentür von Rio de Janeiro vor mir öffnet und ich in das noch angenehme Klima dieser Gegend Brasiliens hinaustrete.

Von Nina Möllers

Dieser Eindruck. sollte jedoch nicht sehr lange zutreffend bleiben. Dieser Moment war nämlich der eigentliche Beginn einer Begegnungsfahrt nach Brasilien, an der ich als eines der Mitglieder des Servir-Arbeitskreises des Gymnasiums Maria Königin in Altenhundem teilnahm. Am Flughafen wurden wir von Pater Arnaldo empfangen, mit de wir bereits in Vorbereitung der Fahrt Kontakt aufgenommen hatten, und der uns während unser Aufenthalts in der Weltstadt Rio de Janeiro betreute. Als besonders beeindruckend empfanden wir vor allem die Art der Brasilianer die heilige Messe zu feiern. Fröhlichkeit und Ausgelassenheit waren für uns Mitteleuropäer überraschend und ungewohnt. Dennoch fiel es uns keineswegs schwer uns anzupassen. Schon bald sangen und klatschten wir voller Überzeugung mit.

Nach der ersten Woche in Brasilien mit ihren widersprüchlichen Eindrücken kehrten wir Rio den Rücken zu und begaben uns in 18 Stunden Busfahrt zu unserer eigentlichen Wirkungsstätte: dem Projekt Servir in der Stadt Januaria. Für die nächsten zweieinhalb Wochen sollte dort ein Schwesternkloster unser Zuhause sein. Liebevoll umsorgt wurden wir von Schwester Diomar. Sie hat voll Autorität die Oberaufsicht in Servir. Bereits zwei Tage später begann unsere Arbeit im "Pequeno Davi" einer Säuglingsstation. Dort werden oft unterernährte schwerkranke Kinder einige Monate lang medizinisch betreut und aufgepäppelt. Sie sollen wieder gesund und kräftig in ihre Familien zurückkehren. Die Mütter der Schützlinge werden angeleitet, um die Kinder vor erneuter Krankheit und Unterernährung zu bewahren.

Die Arbeit in der Station vermittelte zwiespältige Gefühle. Es machte Spaß, die Kinder zu füttern und ihnen Zuwendung zu schenken. Aber es wurde auch deutlich, wie sehr den dort arbeitenden Frauen die Zeit fehlt, um allen Kindern neben Nahrung und Medizin auch die nötige Liebe und Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Für uns war die Enge des Raumes, in dem sich die Kinder aufhielten, sowie der Mangel an Baby-Pflegeartikeln zudem besonders erschreckend.

Bei der Arbeit im "Pequeno Davi" und für Servir ist uns von den Erwachsenen und Kindern nur Freundlichkeit und Freude entgegengebracht worden. Es fiel uns nicht sonderlich schwer, jeden Tag um 7.30 Uhr aufzustehen. Nach dem Frühstück sangen und spielten wir mit den Kindern und halfen den Betreuern beim Duschen und Frisieren ihrer Schützlinge. Auch bei der ersten warmen Essensausgabe um 11.30 Uhr waren wir im Einsatz.

Nach der üblichen Mittagsruhe ging die Arbeit weiter. Aber es blieb manchmal Zeit zu Fahrten auf dem Servir-eigenen Lkw aufs Land zu einer Orangenplantage oder zu Festlichkeiten. So konnten wir eine Hochzeitsfeier und den "Karneval" in Januaria miterleben. Es wurde buchstäblich auf den Straßen getanzt. Die Herzlichkeit, mit der uns alle überschütteten, war beeindruckend. Sogar die Ärmsten unter den Armen brachten uns eine Wärme entgegen, die man in Deutschland kaum noch findet. Ich habe in den vier Wochen wirkliches Elend gesehen. Ich hab aber auch gesehen, daß man etwa bewirken kann und ich habe Dankbarkeit gespürt.

Quelle: Sauerlandkurier - 20. August 1995

Sauerlandkurier

1999 Servir e.V. Home e-Mail zurück Info