Das "Verschwindenlassen" von Menschen

Von Branko Stahl

Bild 1 Einige der Kinder, die "verschwunden" sind

Das "Verschwindenlassen" von Gefangenen ist eine Methode von Regimen, sich politischer Gegner zu entledigen. Ins Äußerste pervertiert wird dieses Vorgehen, wenn die Kinder der Verfolgten - seien sie in der Haft geboren oder mit den Eltern inhaftiert worden- an regimetreue Familien zur Adoption weitergegeben werden.

Über 150 Kinder von Verschwundenen kamen während der Militärdiktatur 1976-1983 in geheimen Haftzentren in Argentinien zur Welt und wenigstens 14 Kinder wurden zusammen mit ihren Eltern verhaftet.

Jorgelina Planas war dreieinhalb Jahre alt, als sie zusammen mit ihrer Mutter Christina im Mai 1977 verhaftet worden ist. Sie wurde einem Kinderheim in Lomas de Zamora, Buenos Aires, übergeben, aber später von einem Luftwaffenoffizier abgeholt und einer Familie zur Adoption freigegeben. Ein Mädchen, dessen Beschreibung auf das Aussehen von Jorgelina paßt, lebt zur Zeit bei einem Mitglied der Luftwaffe.

Auch heute gehört das Verschwindenlassen in vielen Staaten, in denen die Menschenrechte verletzt werden, zur typischen Gewaltanwendung gegen unliebsame Personen. Es ist zu befürchten, daß es hier zu ähnlichen Vorkommnissen wie in Argentinien zur Zeit der Militärdiktatur kommt.

In Sri Lanka sind seit 1983 mindestens 800 Menschen verschwunden. Eine dieser Verschwundenen ist die bei der Verhaftung 10 Jahre alte Kayathiri Vino Sangaralingam. Sie wurde mit ihrer Mutter und zwei Schwestern von Soldaten der Indischen Friedenstruppen (IPKF) verhaftet. Sie wurden beschuldigt, tamilische Separatisten zu unterstützen. Eine Verwandte, die am selben Tag das Soldatenlager besucht hat und dort selbst eine Zeitlang inhaftiert wurde, sagte aus, Kayathiri im Lager gesehen zu haben.

Im Irak fielen ganze Gemeinschaften dem Verschwindenlassen zum Opfer. Im August 1983 wurden 8000 männliche Mitglieder der kurdischen Barzani-Gemeinschaft verhaftet und mit Militärwagen weggebracht. Ihr Verbleib und ihr Schicksal bleiben ungeklärt. Unter ihnen befanden sich auch 315 Kinder, die zum Zeitpunkt der Verhaftung zwischen 8 und 17 Jahre alt waren.

In Peru verschwinden fast täglich Menschen durch die Gewaltanwendung von Armeeangehörigen. Darunter befinden sich zu einem großen Teil Kinder und Jugendliche. Falconieri Saravia Castillo war Präsident des Bauernverbandes von Huancavelica. Am 16. März 1990 wurde er von einem bewaffneten Armeeangehörigen in Zivilkleidung angehalten und festgenommen. Ein Zeuge folgte beiden Männern und konnte beobachten, wie Falconieri Saravia Castillo zum Büro des Chefs des Politisch-Militärischen Kommandos von Huancavelica gebracht wurde. Am 1. April 1990 fand man die Leiche von Falconieri Saravia Castillo mit durchschnittener Kehle in einem Waldgebiet.

Am 28. April 1990 wurde Dora Gomez (48) mit ihren Kindern Juan Carlos (13) und Nilton (15) zusammen mit 6 weiteren Personen aus Alto Rio Chari, Provinz Satipo, auf dem Weg zur Arbeit von einer Militärpatrouille verhaftet. Verwandten wurde am nächsten Tag bei Anfrage bei der vier Kilometer entfernten Kaserne keinerlei Bestätigung über den Verbleib der Angehörigen gegeben. Ebenso erging es ihnen beim Polizeihauptquatier in Mazamari. Briefe an die Generalstaatsanwaltschaft und die Militärbehörden blieben bislang unbeantwortet.


Branko Stahl ist Mitglied der Koordinationsgruppe der deutschen Sektion von amnesty international zu Menschenrechtsverletzungen an Kindern und Jugendlichen.


Quelle: amnesty international

amnesty international

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