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Das brennt uns unter den Nägeln


Magisches Machu Picchu

Eine Reise durch die Anden von Peru

von Dirk Reichling (Abitur 1992)

Bild 1 Bild vergrößern Dirk Reichling erfüllt sich einen Traum

Als ich als acht Jahre alt war, habe ich in einem Buch zum ersten Mal ein Foto von Machu Picchu gesehen. Seitdem war ich immer von diesem magischen Ort der Inkas in den peruanischen Anden fasziniert. Kaum anderswo ist der Zusammenklang von Natur und Kultur so lebendig wie in Machu Picchu. Der Anblick der Anlage auf der abgeflachten Bergkuppe in 2.400 m Höhe umringt von dichter tropischer Vegetation und einer dramatischen Bergkette hat etwas Mystisches, ja Geheimnisvolles. Dieser Ort hat eine besondere Energie, die einzigartig ist.

In England, wo ich wohne, werden oft Erlebnisreisen angeboten, bei denen man für wenig Geld eine Abenteuerreise machen kann, aber man verpflichtet sich, einen bestimmten Betrag für einen Wohltätigkeitsverein zu sammeln. Allerdings wird ein Großteil der Spenden für die Subventionierung der Reise genutzt und kommt nicht dem guten Zweck zugute. Als ich mich entschieden hatte, endlich meinen Traum von Machu Picchu zu realisieren, kam mir die Idee, dieses Vorhaben mit etwas Nützlichem zu verbinden. Da ich das Projekt Servir aus meiner Zeit auf Maria Königin noch sehr gut kannte und selber häufig in Brasilien bin und den krassen Unterschied zwischen Reich und Arm oft genug gesehen habe, habe ich mich entschlossen, Spenden für Servir zu sammeln. Also habe ich meine Kollegen, Freunde und Verwandten gebeten, diese Aktion zu unterstützen, unter der Prämisse, dass ich meine Reise komplett selber bezahle und jeder Cent, der gespendet wird, Servir zugute kommt. Das ganze sprach ich mit Herrn Liesmann, dem Servir-Koordinator, ab und die Reise konnte beginnen.

Bild 2 Bild vergrößern Inka-Trail nach Machu Picchu

Ich flog mit einer Freundin nach Peru, um den berühmten Inka-Trail nach Machu Picchu zu erwandern. Die ersten Tage verbrachten wir in Lima am Ufer des Pazifiks. Viele Menschen leben auf einem relativ kleinen Raum, es gibt ein schönes, spanisch-koloniales historisches Zentrum und viele neuere, etwas heruntergekommene Stadteile. Der Unterschied zwischen Reich und Arm ist oft nur ein paar Meter von einander entfernt. Slums scheinen fast nahtlos in die Stadteile der Mittel- und Oberschicht überzugehen.

Am dritten Tag nach Cusco. Der Flug dorthin war schon ein Erlebnis, da wir die peruanischen Anden überfliegen mussten. Nach einer Stunde landeten wir in Cusco, ein Paradebeispiel spanischer kolonialer Städtebaukunst. Die Stadt liegt auf über 3.400 Meter Höhe und das Atmen fällt am Anfang schon etwas schwer. Nach einem ausgiebigen Mittagessen mit geschmorten Meerschweinchen (!) und gebratenen Lama, einer typischen Delikatesse in Peru, sahen wir uns die eindrucksvollen Kirchen, Kathedralen und Paläste der Stadt an. Cusco ist allein schon eine Reise nach Peru wert. Es war Juni und daher Winter in Peru, so dass die Temperaturen in der Nacht unter den Gefrierpunkt fielen. Am nächsten Tag dann war es soweit und wir starteten mit einer Gruppe von 16 Leuten, mit zwei Führern, zwei Köchen und 20 Trägern. Mit diesen sollten wir die nächsten paar Tage in den Bergen verbringen.

Bild 3 Bild vergrößern Mittagessen mit geschmorten Meerschweinchen

Um uns zu akklimatisieren, wanderten wir am ersten Tag gemütlich im heiligen Tal der Inkas und sahen uns einige Ruinenstädte an. Unser Reiseführer erklärte uns die Geschichte der Inkas und die Bedeutungen der verschiedenen Ruinen. In den vier Tagen haben wir insgesamt über zehn Ausgrabungsorte gesehen. Die Inkas überließen nichts dem Zufall - alles war perfekt geplant, um in den Anden überleben zu können. Die Bebauung der terrassenförmig angelegten Felder war ein perfekt ausgeklügeltes System. Auch die astronomischen Kenntnisse der Inkas waren für die Zeit sehr fortschrittlich. Die Begeisterung unseres Reiseführers war ansteckend und diese Tage waren die beeindruckendsten Geschichtsstunden, die ich je erlebt habe.

Bild 4 Bild vergrößern Terrassenförmig angelegte Felder

Am nächsten Tag war es dann endlich soweit - wir kamen am berühmten KM 81 am Urubamba-Fluss an. Hier beginnt der eigentliche Inka-Trail für uns: 48 km führen uns durch verschiedene Vegetationszonen zwischen 2.000 und 4.200 m mit mehreren Ruinen auf dem Weg, von denen man das subtropische Tal sehen kann und dahinter die schneebedeckten Andengipfel - der höchste ist der Nevado Salkantay mit 6.271m. Durch die Auflagen der UNESCO ist das Wandern des Inka-Trails sehr stark begrenzt worden, um die Natur und Denkmäler zu schützen. Man kann heute nur noch mit Führern und Trägern den Weg begehen. Der erste Teil des Weges ist noch relativ einfach zu bewältigen. Nachdem wir die Inka-Ruinen Willcaraqay besichtigt hatten, kamen wir am späten Nachmittag auf unserem Zeltplatz Wayllbamba auf ca. 3.000 m Höhe an. Unsere Träger brachten uns eine Schüssel mit heißem Wasser, damit wir uns die Hände und das Gesicht waschen konnten und wir bekamen eine Tasse Kokatee gegen Höhenkrankheiten (einige von uns kauten wie alle Träger Kokablätter gegen die Höhenkrankheiten). Meine Freundin und ich bezogen dann unser Zelt, bevor wir dann zusammen mit unseren neuen Freunden im Essenszelt Platz nahmen. Die Köche zauberten ein richtig tolles Essen, und in geselliger Runde schwätzen wir anschließend noch mit den anderen Leuten unserer Gruppe. Wir waren eine recht internationale Gesellschaft mit Vertretern aus allen Kontinenten. Es tat richtig gut, einmal ohne Handy, Fernseher und andere Annehmlichkeiten auszukommen und sich auf grundlegende Aktivitäten wie das gemeinsame Abendessen und das Austauschen von Erfahrungen zu freuen. Um 20 Uhr sind alle jedoch auf Grund der Höhe und der Wanderung so müde, dass wir uns in die Zelte zurückziehen. Die Nacht im Zelt auf fast 3.000 m Höhe ist gewöhnungsbedürftig. Zum Glück haben wir gute Schlafsäcke und Fleecejacken gekauft, so dass wir nicht zu sehr frieren.

Bild 5 Bild vergrößern Subtropisches Tal und schneebedeckte Andengipfel

Wir werden pünktlich um 6.00 Uhr von den Trägern wieder mit heißem Wasser und Kokatee geweckt, bevor wir uns dann wieder bei einem leckeren Frühstück für den schwierigsten Teil des Weges stärken. Wir haben ca. 1.300 Höhenmeter zu bewältigen, um dann auf 4215 m den "Pass der toten Frau" zu überqueren. Der Marsch dorthin war schon ziemlich anstrengend, und einige in unserer Gruppe hatten Probleme mit der Höhe und konnten nur sehr langsam vorwärtsgehen. Wir passieren einige Lamas am Wegesrand, die uns etwas verwundert anschauen. Wir schaffen es dann doch alle auf den Gipfel, und jeder, der auf dem Pass ankam, wurde mit Klatschen und einer Umarmung begrüßt. Danach wurden die obligatorischen Gipfelbilder gemacht. Die Aussichten über die gewaltigen schneebedeckten Andenspitzen waren einfach nur einmalig und ließen einen selbst sehr klein wirken. Es sind Momente wie diese, die einen zum Nachdenken bringen, was im Leben wichtig ist und was nicht.

Bild 6 Bild vergrößern Lamas am Wegesrand

Der eisige Wind auf dem Gipfel lässt uns jedoch schnell weitergehen. Von hier aus geht es 600 Höhenmeter bis zu unserem zweiten Camp hinunter. Wir gehen den steilen Berg herunter, kommen am Rio Pacaymayo und zwei kleinen Wasserfällen vorbei. Unterwegs sehen wir ein Reh am Berghang. Die Fauna ändert sich stark und es wird immer grüner. Es gibt einen richtigen tropischen Regenwald, und die Vegetation wird immer dichter. Zum ersten Mal auf dieser Reise erleben wir Nebel und kommen an den Ruinen der Festung Sayaqmarca vorbei. Durch diesen Nebel und die eindrucksvolle grüne Vegetation wirkt der Ort sehr mystisch, ja fast schon gespenstisch. Die Anlage liegt auf einem Felsvorsprung und ermöglichte den Inkas die Überwachung des Tales. Das letzte Wegstück ist besonders schön, da wir an vielen Blumen wie Orchideen und Frauenschuh vorbeikommen und der Weg durch den moosbewachsenen Regenwald sehr schön ausgebaut ist. Auch Riesenkolibris sehen wir dann und wann auf unserer Wanderung. Die Inkas haben eine gewaltige Arbeit geleistet, um diesen Weg durch den dichten Wald anzulegen. Als wir am Abend auf unserem Zeltplatz in ca. 3.600m Höhe ankommen, werden wir wieder von den Trägern mit Klatschen begrüßt. Beim Abendessen tauschen wir alle die Erlebnisse des Tages aus und sind schon ein wenig stolz, den schwersten Tag des Trails überstanden zu haben. Wir schlafen in dieser Nacht sehr früh und sehr zufrieden.

Bild 7 Bild vergrößern Übernachtung im tropischen Regenwald

Am Morgen des vierten Tages ist es zwar mit -5 Grad richtig kalt, aber der Nebel hat sich gelichtet und wir haben in der klaren Bergluft einen sagenhaften Blick über die gesamten umliegenden Bergkuppen, auf denen der Schnee in den ersten Sonnenstrahlen funkelt. Wir sind mit Wollmütze, dicker Jacke und Handschuhen richtig warm angezogen. Gegen 7.30 Uhr wandern wir los und genießen den Ausblick. Der Weg zieht sich weiter am Berghang entlang und ist wohl der schönste Abschnitt. Mit zuerst geringen Höhenunterschieden geht es auf dem sehenswert angelegten Pfad durch satt grüne Pflanzenwelt oberhalb des tiefen Tales. Wir passieren den dritten Pass in 3.620 m Höhe.

Wir können zum ersten Mal das untere Urubamba-Tal um Machu Picchu sehen. Die Ruinen von Machu Picchu liegen jedoch noch versteckt hinter einem der Berge. Kurz unterhalb des letzten Passes befindet sich die sehenswerte Inka-Ruine Phuyupatamarca mit einem tollen Blick über mehrere Täler hinweg. Es geht weiter auf dem Inka Trail bergab, und wir müssen über 1.000 steile Treppenstufen hinuntergehen. Die Knie werden hier ganz schön belastet, aber der Sonnenschein und die Aussicht lassen uns jeden Schmerz vergessen.

Bild 8 Bild vergrößern Mystische Ruinen am Wegesrand

Nach einer Stunde vom Pass aus merken wir, dass es merklich wärmer und die Landschaft grüner und tropischer wird. Gegen 16 Uhr kommen wir dann in unserem letzten Camp auf 2.750 m Höhe an. Es gibt diesmal sogar eine Dusche. Nachdem wir nur kurz eines der Zelte bezogen haben, nehme ich die Gelegenheit der Dusche sofort war. Noch nie habe ich eine kalte Dusche so genossen wie diese erste in drei Tagen. Vor dem Abendessen erkundigen wir dann noch die neben dem Camp liegenden Ruinen von Winaywayna und Intipata. Diese Anlagen dienten der Versorgung von Machu Picchu mit Lebensmitteln. Die Anlagen sind in einem sehr guten Zustand, und wir genießen bei Sonnenuntergang die faszinierenden Ausführungen des Reiseführers und erfrischen uns mit einem Schluck Rotwein.

Abends treffen wir dann ein paar Wanderer einer anderen Gruppe und finden ein Radio - ich erfahre die neuesten Ergebnisse der Fußball-Weltmeisterschaft. Deutschland schlägt Argentinien 5:3 nach Elfmeterschießen und kommt ins Halbfinale. Nach einem wirklich beeindruckenden Abendessen geben wir den Trägern in einer Zeremonie noch ein Trinkgeld, bevor wir noch Reiseerlebnisse bei ein oder zwei kühlen Bieren austauschen. Die Träger stammen alle aus einem einfachen Dorf in der Nähe von Cusco. Die Gesellschaft (GAP), die diese Reisen organisiert, unterstützt dieses Dorf mit einem Teil der Einnahmen durch den Bau von Gemeinschaftsanlagen, und die Tätigkeit als Träger ist in den meisten Fällen die einzige wirkliche Einnahmequelle der Familien. Die Freundlichkeit und Herzlichkeit dieser Menschen war fast schon beschämend: Sie haben oft nur wenige Habseligkeiten und laufen die steilen Berge in einfacher Ausrüstung und oft in Flipflops Tag für Tag auf und ab und strahlen doch eine Zufriedenheit und Freude aus, an der wir uns in Europa und den anderen Industrieländern ein Beispiel nehmen können. Es ist ein gutes Beispiel von sanftem Tourismus, der auch den Einheimischen zu Gute kommt. In dieser Nacht wirkt es bei 15 Grad fast schon warm.

Bild 9 Bild vergrößern Sanfter Tourismus, der auch den Einheimischen zu Gute kommt

Am letzten Morgen stehen wir schon gegen 4 Uhr auf, um am berühmten Sonnentor Intipunku den Sonnenaufgang über Machu Picchu zu erleben. Wir brechen in Dunkelheit auf und müssen den Weg mit Taschenlampen erahnen. Nach einer Stunde wird es langsam heller, und gegen 6 Uhr haben wir den Höhepunkt der Reise erreicht: Als Erste an diesem Morgen erreichen wir das Tor und haben alle eine Gänsehaut vor Aufregung - die Sonne erscheint wie auf Kommando, und wir sehen zum ersten Mal die geheimnisvolle Stadt Machu Picchu. Das Erlebnis ist einfach unbeschreiblich. Es sieht wirklich so aus wie in dem Bild, das ich vor 22 Jahren als Kind gesehen habe. Einer meiner Träume ist so also Wirklichkeit geworden. Wie schön, diesen Moment mit meiner Freundin und den neuen Kameraden zu erleben! Alle Anstrengungen der letzten Tage sind vergessen. Von Intipunku aus laufen wir noch ca. 30 Minuten bis zur Stadt hinunter und halten fast nach jeder Kurve, um neue Fotos von der Anlage zu machen, die uns nun näher und näher rückt.

Bild 10 Bild vergrößern Blick auf Machu Picchu vom Sonnentor

Zum Glück kommen die Bustouristen aus Cusco und Aguas Calientes erst gegen 10 Uhr in der Anlage an, so dass wir die ersten Stunden die Stadt fast für uns alleine haben. Unser Reiseführer führt uns die nächsten zwei Stunden durch die Anlage und erklärt uns alle wichtigen Denkmäler und Gebäude. Es ist einfach nur unglaublich beeindruckend und kaum zu beschreiben. Anschließend haben wir noch ca. vier Stunden, um die Anlage selber zu erkunden, bevor wir mit einem Bus nach Aguas Calientes fahren und uns dort bei einem typisch peruanischen Essen stärken. In einer Bar läuft ein Fernseher, und wir erfahren, dass Brasilien von Frankreich geschlagen worden ist und auch England nicht in das Halbfinale einziehen wird. Anschließend geht es mit dem Zug wieder in Richtung Cusco. Wir haben den Inka-Trail gemeistert und feiern in Cusco bei einem gemeinsamen Abendessen mit den Reiseführern und der gesamten Reisegruppe die Erlebnisse der Reise und die neuen Freundschaften, die wir gemacht haben.

Bild 11 Bild vergrößern Beeindruckende Freundlich- und Herzlichkeit

Am nächsten Tag geht es dann wieder nach Lima und von dort über St. Maarten und Amsterdam zurück nach London. Leider holt mich der Alltag schnell wieder ein, da ich direkt am nächsten Tag wieder arbeiten muss. Ein neues Projekt beginnt für mich in Dublin. Aber die Erlebnisse dieser einmaligen Reise werden mir immer in meiner Erinnerung bleiben, und ich freue mich schon auf die nächste Erlebnisreise - diesmal wieder in Brasilien.

Insgesamt kamen durch diese Aktion über 3.100 Euro für das Projekt Servir zusammen, und ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Spendern bedanken. Ich bin davon überzeugt, dass das Geld für eine gute Sache benutzt wird.


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